„Ein Porsche in der Nagellackfarbe Ihrer Frau“

NÖN: Wie geht es Porsche in Österreich derzeit mit der Lieferzeit? Stimmt es, dass Porsche die Autos wegen des Chip-Mangels nur mit einem Schlüssel ausgeliefert hat?
Helmut Eggert: Bei uns beträgt die Lieferzeit grundsätzlich ein halbes Jahr, da wir jedes Auto kundenindividuell bauen – und das braucht seine Zeit. Momentan liegen wir im Schnitt zwischen sechs und neun Monaten. Natürlich hat uns die unter anderem durch Corona und Ukraine-Konflikt ausgelöste Lieferproblematik ebenfalls getroffen, da lagen wir zwischen neun und zwölf Monaten. Und ja, wir mussten zahlreiche Autos mit nur einem Schlüssel ausliefern, wenn der Kunde das Auto unbedingt schnell haben wollte. Aber oft will der Kunde seinen Wagen nicht im Herbst, sondern erst im Frühjahr übernehmen, weil es zum Beispiel für den 911 GT3 RS keine Winterreifen gibt.
Wie geht es Porsche in Österreich mit dem Verkauf?
Eggert: Gut! Im vergangenen Jahr konnten wir mit 1.344 Neuzulassungen einen Marktanteil von 0,6 Prozent erzielen, das war für Porsche in Österreich das drittbeste Ergebnis. Darauf können wir wirklich stolz sein. Leider sind die Lieferketten immer noch sehr volatil.
Das aktuell beliebteste Porsche-Modell? Wie hoch ist der Allradanteil? Wie hoch ist der SUV-Anteil?
Eggert: Das beliebteste Porsche-Modell ist und bleibt der 911er, unser absolutes Aushängeschild, unser Kultmodell. Der Allradanteil über die komplette Modellpalette liegt derzeit bei 75 bis 80 Prozent. Der SUV-Anteil, da haben wir ja nur den Cayenne und Macan im Programm, liegt bei 40 Prozent.
Thema Offroad: 911 Dakar – wie ist Porsche auf die Idee zu diesem Auto gekommen?
Eggert: Der 911 Dakar ist ja keine Neuerfindung, er ist eine Hommage an das Fahrzeug, mit dem wir 1984 die Rallye Paris-Dakar gewonnen haben. Von geringer bis hoher Bodenfreiheit, von Straße bis Offroad – so vielfältig ist der 911er. Aber leider ist der auf 2.500 Stück limitierte 911 Dakar schon ausverkauft.
Ein Porsche mit einem Zelt auf dem Dach – ein Gag oder mehr?
Eggert: Selbstverständlich ist ein Fahrradträger stärker nachgefragt, aber das Dachzelt trifft den Zeitgeist. Wir haben zahlreiche Kunden, die auf so ausgefallene Sachen Wert legen. Das ist genauso wie beim 911 Dakar: Warum braucht man einen 911er, der ins Gelände kann? Das Zelt am Dach ist eine Ausstattung, die während Corona extrem populär geworden ist, damit entspricht man einem gewissen Lifestyle. Dieses Dachzelt ist ein durchdachtes, lässiges Hightech-Produkt und das Handling ist relativ easy. Mit dieser speziellen Dachbox ist auch nur eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h möglich, also die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn, und steht so für sicheres und entspanntes Reisen.
Thema Hypercar: Wann kommt ein neuer Supersportler aus dem Hause Porsche?
Eggert: Die letzten Porsche-Supersportler – wie Carrera GT und 918 – waren Volltreffer. Und ich gehe davon aus, dass wir auch wieder ein derartiges Fahrzeug bei Porsche sehen werden. Mein persönlicher Zugang ist, dass man jetzt einmal schaut, wohin entwickeln sich generell die Märkte. Nicht dass es dann heißt: Jetzt sind wir 2028 zwar fertig, aber den Verbrenner dürfen wir in diesem Fahrzeug nicht mehr haben. Ich denke, dass jetzt die strategische Entscheidung, mit den E-Fuels in einen Probebetrieb zu gehen, ganz wichtig war. Und dass wir mit den starken Elektroautos dem Trend der Zeit bei den Sportwagen entsprechen (der Taycan Turbo S hat 761 PS, Anmerkung der Redaktion). Der unmittelbare Leistungseinsatz und das Sportwagengefühl beim Taycan sind außergewöhnlich. Das wird aber sicher nicht der breite Markt für die Zukunft sein. Ich gehe davon aus, dass sich die Elektroautos bei den PS-Stärken deutlich nach unten orientieren werden, mehr zu dem, was der Autokunde im Alltag sucht.
Wird man Porsche einmal in der Formel 1 sehen?
Eggert: Aus unserem Konzern wird die Marke Audi in Zukunft das Thema bestreiten. Porsche & Formel 1 war sehr weit fortgeschritten, aber es sollte nicht sein. Ich persönlich bin ein Fan der Langstrecke. Deshalb bin ich froh, dass wir in Le Mans antreten, dass wir diese Rennserie haben, sie ist für mich näher am Automobil. Das 24-Stunden-Rennen in Le Mans ist auf Ausdauer ausgelegt und spiegelt einfach am besten unser Leben wider. Den richtigen Porsche-Durchbruch hat der Le-Mans-Gesamtsieg 1970, also die Langstrecke, gebracht, auch wenn wir schon Formel-1-Rennen gewonnen haben. Ich sehe Porsche auf der Langstrecke.
Thema Elektromobilität: Wie sieht hier der Zeitplan von Porsche aus? Wird es den neuen Macan auch rein elektrisch geben? Wird der 911er auch einmal rein elektrisch kommen?
Eggert: Übergeordnetes Ziel von Porsche ist es, dass 2030 mehr als 80 Prozent der Neufahrzeuge elektrifiziert ausgeliefert werden. Der neue Macan, der ab 2024 zu den Kunden kommen wird, wird das nächste rein elektrische Modell sein. Parallel dazu werden wir den aktuellen Macan (Verbrenner) noch anbieten, solange eine Nachfrage besteht. Zur Mitte des Jahrzehnts wird auch der 718er vollelektrisch werden. Der 911er wird das letzte Auto sein, das wir bei Porsche jemals elektrifizieren, vorher wird er noch hybridisiert. 2035 ist übrigens nur ein EU-Datum für das Aus des Verbrenners. Man muss sich aber immer den Weltmarkt ansehen – und da werden voraussichtlich auch nach 2035 weiterhin Verbrenner verkauft werden.
Noch einmal zum Thema E-Fuel: Sie sagten zuvor, dass E-Fuel wichtig für Porsche ist …
Eggert: Das Thema E-Fuel ist nicht nur für Porsche wichtig, sondern für uns alle. Es ist eine gute Ergänzung zur E-Mobilität und wichtig für den Betrieb von Bestandsfahrzeugen. Ich finde es persönlich oft zu kurzsichtig gedacht, dass, wenn wir in gewissen Teilen der Welt alle mit Strom fahren, gleichzeitig auch alle Klimaprobleme gelöst haben werden. Denn die Luft kennt keine Grenzen. Also müssen wir schauen, dass wir global Kohlendioxid minimieren und alle Möglichkeiten dazu ausnutzen. Meiner Meinung nach hört die Politik generell viel zu wenig auf die Experten.
Verstehen Sie die Klimakleber?
Eggert: Ich möchte natürlich auch für meine Nachfahren eine vernünftige Zukunft, aber diese Form des Protests ist aus meiner Sicht keine Lösung.
Wie wichtig ist für Porsche die Hybridtechnologie?
Eggert: Der Hybrid ist für uns eine sehr wichtige Brückentechnologie ins elektrische Zeitalter. Nicht umsonst verkaufen wir den Cayenne und Panamera fast ausschließlich als Hybrid, da diese Technologie bei konsequenter Nutzung im urbanen Raum rein elektrisches Fahren ermöglicht und parallel auch die Möglichkeit bietet, lange Strecken ohne großes Kopfzerbrechen zu bewältigen. Unser neuer Cayenne Hybrid, der gerade in den Markt eingeführt wird, hat bereits bis zu rund 90 Kilometer E-Reichweite. Das ist doppelt so viel wie ein durchschnittlicher Autofahrer pro Tag zurücklegt.
Viele sehen hierzulande den Plug-in-Hybrid als Etikettenschwindel ...
Eggert: Es kommt immer auf das Fahrprofil und die richtige Nutzung der Technologie an. Wenn ich heute einen Außendienstmitarbeiter habe, der täglich 300 Kilometer fährt, ist ein Plug-in-Hybrid in punkto Effizienz und Umweltnutzen die falsche Wahl. Aber: Bei einem klassischen Nutzer sieht die Sache schon anders aus. Dieser kommt mit dem Strom aus, wenn er daheim oder in der Firma laden kann. Und wenn er in den Urlaub fährt, dann nutzt er in erster Linie den Benziner. Plug-in-Hybrid müssen konsequent und regelmäßig geladen werden, sonst ist das Ganze, wie Sie sagen, ein Etikettenschwindel.
Noch einmal Vollstromer: Wo wird sich Ihrer Meinung die Reichweite einpendeln?
Eggert: Ich denke bei 500 Kilometern, realistischen, nicht WLTP. Mit 500 Kilometern – und wenn die Ladegeschwindigkeit auch noch hoch ist – kann man sehr gut leben.
Sie haben am Anfang die hohe Individualität angesprochen: Den 911er gibt es in 24 Varianten, den Panamera in 25 Varianten. Rechnet sich das überhaupt?
Eggert: Ja, es rechnet sich! Wir bieten auch individuelle Lackierungen mit über 170 Farbtönen an, das heißt, so gut wie alles ist möglich. So können Sie auch die Lackierung Ihres Porsche nach der Nagellackfarbe Ihrer Frau wählen – wenn Sie das wollen. Das ist zwar nicht ganz billig (rund 16.000 Euro, Anmerkung der Redaktion) – und man muss auch eine längere Lieferzeit einplanen, bis zu sechs Monate mehr. Aber: Ein Porsche ist keine Stangenware, sondern ein individualisiertes Produkt, in dem sich sein Besitzer wiederfinden soll.
Ist der typische Porsche-Fahrer männlich oder weiblich?
Eggert: Eine gute Frage, aber das kann ich ehrlich gesagt gar nicht eindeutig beantworten. Wir haben auch viele Frauen, die einen Porsche fahren.
Machen Sie deshalb auch spezielle Fahrtrainings für Frauen?
Eggert: Jeder, der bei uns einen Neuwagen erwirbt, bekommt ein Fahr- und Sicherheitstraining (in Zusammenarbeit mit dem ÖAMTC, Anmerkung der Redaktion). Wir wollen damit unseren Kundinnen und Kunden das Lenken eines Sportwagens in Grenzsituationen nahe bringen. Wir teilen das (teilweise und auch auf besonderen Wunsch vieler Kundinnen) auf Frauen und Männer auf, weil Frauen und Männer vom Grundsatz her eine andere Herangehensweise haben an die Erreichung der Ziele. Das Hauptziel ist aber, das Fahren eines Sportwagens zu trainieren und gleichzeitig die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen zu heben.
Thema autonomes Fahren: Braucht ein Porsche so etwas überhaupt?
Eggert: Das passt natürlich auch perfekt zu Porsche! Wenngleich vom Grundsatz her unser Fahrzeugkonzept immer auf Selbstfahren ausgelegt ist, auf höchsten Fahrspaß. Auf der Wiener Südost-Tangente zum Beispiel habe ich, egal mit welchem Auto, wenig bis keinen Spaß. Da ist autonomes Fahren ideal. Das muss man zudem auch als eine Komfortergänzung sehen. Für das vollautonome Fahren stellt sich aktuell auch noch die rechtliche Frage: Wer ist bei einem Unfall schuld? Der Hersteller, der Programmierer, der Betrieb, der das Auto gewartet hat? Bis es so weit ist, gibt es noch viele Dinge zu regeln.