Wie konnte Martin Pucher alle täuschen?

Erstellt am 13. August 2020 | 05:58
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Martin Pucher
Aus dem Archiv. Martin Pucher bei der Pokalübergabe und an der Bande beim ehemaligen Hödl-Turnier und im Pappelstadion in den frühen 90er-Jahren mit Spieler Christian Rainprecht und Trainer Christian Janitsch, als der SVM noch in der Landesliga kickte.
Foto: Martin Plattensteiner
Der gefallene Bank- und SV Mattersburg-Mäzen Martin Pucher war anerkannt und sehr geschätzt. Geschockt ist man über die jahrzehntelange kriminelle Energie.
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Ganz Österreich fragt sich, wie ein einzelner Mann samt Komplizin über Jahrzehnte hinweg an allen Aufsichtsorganen innerhalb und außerhalb der Bank vorbei, scheinbar rund 700 Millionen Euro abziehen konnte? Dies wird die Gerichte noch Jahre beschäftigen.

Die andere Frage, warum so viele Menschen Martin Pucher alles anvertraut hätten und scheinbar auch haben, lässt sich schon eher klären. Immerhin waren bis zu 13.000 Kunden der Bank bis zum besagten 15. Juli dieses Jahres davon überzeugt, dass die Commerzialbank ein sicherer monetärer Hafen sei.

Wir haben uns in der Redaktion als ehemalige Spieler des SV Mattersburg auf Spurensuche begeben und versuchen nachfolgend die Person Martin Pucher zu analysieren.

Eines vorweg: Bei der Konstellation SV Mattersburg und Commerzialbank stellten sich schon ganz viele Menschen im Bezirk Mattersburg die Frage, wie das so lange gut gehen konnte. Jeder, der sich mit Fußball beschäftigt hat, konnte sich nicht erklären, wie sich der SV Mattersburg so lange „finanziell“ gesund in der obersten Spielklasse Österreichs halten konnte. Zumalen jeder wusste, dass von den offiziellen Sponsoren kaum namhafte Beträge in den Verein geflossen sind. In den Anfangsjahren sah man noch die hohen Zuschauerzahlen und die damit verbundenen Einnahmen als Erklärung für das funktionierende System. Mit der Zeit und der abnehmenden Zuschauerzahl wurden auch hier Zweifel lauter.

Man vermutete, dass seitens der Commerzialbank mehr Geld in den Verein geflossen sei (die Bank kaufte die teuren VIP-Tickets und verschenkte sie an Kunden und Freunde) und, dass Pucher „Steuerschlupflöcher“ fand, um den SVM zu erhalten.

Und diese Beschreibung passt(e) wohl am besten zu Martin Pucher: Man hat ihm zugetraut, im Legalen zu „tricksen“, weil er definitiv ein enormes Potential an sogenannter „Bauernschläue“ hat und mit Zahlen bestens jonglieren konnte. Zudem baute er über Jahrzehnte das Image des Banken-Revoluzzers auf, der sich vom Raiffeisen-Riesen losgelöst hat, um im regionalen Kreis ehrliche und bodenständige Geschäfte zu machen. Dass Pucher letztlich das gesamte Geld der Sparer abgezweigt hat, trauten ihm nicht mal seine schärfsten Kritiker zu.

Es war auch immer davon die Rede, dass sich das Geschäftsmodell der Bank nie und nimmer ausgehen könne. Ja, mein Gott, dachten sich alle. Wenn es sich nicht mehr ausgeht, muss sowieso zugesperrt werden. Trotz aller Unkenrufe wurde aber jedes Jahr eine tolle Bilanz gelegt und die Gewinne der Bank veröffentlicht. Ebenso stand der SV Mattersburg immer als finanzieller Vorzeigeschüler da. Beides – Bank und SVM – also trotz aller Neider, im grünen Bereich und eine Erfolgsgeschichte! Jahr für Jahr, schwarz auf weiß.

Citroën als Symbol für Bescheidenheit

Und Pucher tat genau das, was alle von ihm erwarteten: Bescheiden und bodenständig blieb er meist im Hintergrund. So wie bei Siegesfeiern „seines“ SV Mattersburg. Er stand dabei selten im Mittelpunkt. Legendär auch die Siegesfeier, als Mattersburg in die Bundesliga aufstieg: Während alle Spieler und Funktionäre feierten, fuhr er mit seinem grünen Citroën seine übliche Nachdenk-Runde über die Rosalia nach Schwarzenbach und retour, um den Erfolg im Stillen zu genießen.

Ob dies, im Nachhinein gesehen, deshalb so war, weil er wusste, dass die Erfolge auch einen Riesen-Schatten werfen, wird wohl nur Pucher selbst wissen. Und der grüne Citroën, den er Zeit seines Lebens fuhr, stand symbolisch für die Figur Martin Pucher: Zwar kein Alltagsauto, aber weit entfernt von einem Luxusschlitten. Und alle dachten: Na schau her, wie bescheiden der Mann doch ist. Hat soviel Geld und fährt trotzdem ein eher bescheidenes Auto! Dieser Mensch hat Charakter. Seit 15. Juli weiß der Bezirk Mattersburg und ganz Österreich: Man kann eben in keinen Menschen hineinschauen.

Zu einem Spieler hat Pucher einmal gesagt: „Wir spielen nur so lange oben in der Bundesliga, so lange wir es uns auch leisten können.“ Das passte wiederum genau zum seriösen Banker, der stets den Eindruck vermittelt hatte, genau zu wissen, was er tut. Das spiegelte sich auch einst wider, als der SV Mattersburg als Zweiter der Meisterschaft in der Regionalliga hätte aufsteigen können, da der sportliche Meister FAC finanziell am Boden war. Puchers kurzer Kommentar: „Wir steigen nicht auf. Das muss alles natürlich wachsen, wir sind noch nicht so weit. Wartet‘s ab, wir machen dann was G‘scheites!“

Das „G’scheite“ wird aufgrund der scheinbar hohen kriminellen Energie zum größten Betrugsfall im Land werden. Die Werte Ehrlichkeit, Loyalität, Handschlagqualität und Bodenständigkeit waren bei dem gefallenen Präsidenten doch nur Schall und Rauch. Und trotzdem, oder gerade deswegen, sind diese Werte jetzt wichtiger denn je zuvor.