Interview mit Dominik Prikoszovits: Auf den Spuren der Winter-Tomaten

„Free Sugo“ ist ein Projekt von Dominik Prikoszovits aus Frankenau und Irina Schaltegger aus der Hofgemeinschaft Hart 7 in Südkärnten. Das Duo brach Anfang Januar mit einem Transporter nach Almeria in Südspanien, zum größten „Gewächshaus Europas“, auf.

Wie ist diese Idee entstanden?
Prikoszovits: Irina war schon zweimal in der Gegend mit dem Rad unterwegs und musste nicht schlecht staunen, als sie neben den Gewächshäusern Berge von weggeworfenen Tomaten dahinrotten sah. Ein No-Go für den Umgang mit Lebensmitteln. Als leidenschaftliche Lebensmittelretterin kam sie auf die Idee, Tomatensugo aus geretteten (das bedeutet weggeschmissenen) Tomaten zu machen.
Warum engagieren Sie sich für dieses Projekt?
Prikoszovits: Wir produzieren selbst Gemüse und andere Lebensmittel auf einem Bauernhof in unserer Selbstversorgungsgemeinschaft in Südkärnten. Durch den Umgang und Anbau eigener Lebensmittel, stellt man sich nach und nach immer mehr Fragen über das Angebot in unseren Supermärkten im Winter. Woher können denn solch unfassbaren Mengen kommen, während Schnee in Österreich liegt? Warum ich mich für so ein Projekt engagiere? Aufklärung, sei es für mich als auch für andere.
Was ist Ihr Ziel?
Prikoszovits: Uns ist es wichtig, Bewusstsein zu schaffen, wo die Tomaten in unseren Supermärkten im Winter eigentlich herkommen und welchen langen Weg sie hinter sich haben, bis die Tomaten rot, rund und scheinbar perfekt in den Händen der Endkonsumenten landen. Gleichzeitig wollen wir aufzeigen, welche Lebensrealitäten mit dieser Landwirtschaft einhergehen. BäuerInnen, die nur 65 Cent pro Kilo Tomaten bekommen, migrantische Arbeiter, die nicht nach dem Mindestlohn bezahlt werden, Senkung des Grundwasserspiegels, Pestizide und Plastikverschmutzung. Die Liste könnte man noch weiterführen.
Unsere Mission ist es, alles rund um den Gemüseanbau im größten Gewächshaus Europas aufzudecken.“Dominik Prikoszovits und Irina Schaltegger
Was ist bisher geschehen?
Prikoszovits: Wir haben Unmengen von weggeworfenem Gemüse gesehen, Bauern, Arbeiter, Betriebsführer interviewt und täglich erforschen wir ein Stück von einem scheinbar endlosen Labyrinth aus Gewächshäusern, Plastikmüll und Tonnen von Tomaten in den Straßen. Fragwürdige Arbeitsbedingungen und Chaos sind alltäglich.
Was erwartet Sie noch?
Prikoszovits: Das ist schwer abzusehen da wir jeden Tag neue Geschichten, Orte und Menschen kennenlernen. Die Küsten Südspaniens sind malerisch schön und zugleich stark bedroht. In Andalusien entsteht nach und nach eine neue Wüste, deren Ursache unter anderem auch im größten Plastikmeer Europas liegt. Wir erhoffen uns auf jeden Fall mehr Wissen über unsere Wintertomate und natürlich ein superfeines Sugo, das mit anderen geteilt werden darf.

Wie stellen Sie sich die Produktion des Sugos vor und wie viele Gläser sollen es werden?
Prikoszovits: Die Produktion ist einfach: Weggeworfene Tomaten sammeln, sortieren, waschen und klein schneiden. In einem großen Kupferkessel wird dann langsam über offenem Feuer eingekocht. Gesammelte Wildkräuter wie Rosmarin, Oregano und Thymian runden den Geschmack ab. Meersalz, Olivenöl und Wildzwiebel kommen ebenfalls aus der Region. Wir haben etwa 300 Schraubgläser mitgebracht, die auch gerettet wurden und eine neue Verwendung bekommen.
Wie wollen Sie das Sugo dann an die Esser bringen?
Prikoszovits: Auf der Rückreise werden wir Leuten Gläser vorbeibringen, die bereits Interesse an unserem Sugo haben. Auf unserem Biohof kommen tagtäglich Menschen vorbei und für Interessierte würden wir sicher auch per Post Pakete versenden. Eine Nachricht an „freesugo“ auf Instagram oder an den Biohof Hart 7 über Facebook wäre ein Weg für alle Interessierten.
Wie finanziert sich das Projekt?
Prikoszovits: Größtenteils aus eigener Kasse. Unseren Bus „Tom“ haben wir von den „Zwetschken“, einem befreundeten Hofkollektiv aus dem Waldviertel geborgt bekommen. Außerdem haben wir vor Kurzem eine Förderung von einer internationalen Bürger*innenorganisation erhalten, die in etwa die Hälfte unserer Transportkosten deckt.
Warum haben Sie sich gerade für Tomaten entschieden?
Prikoszovits: Die Tomate ist wohl das bekannteste Symbol aus der Gewächshausgegend und gehört neben Orangen, Melanzani und Paprika zu den wichtigsten Lebensmittelexportgütern Spaniens. Tomatensoße ist außerdem etwas Seltenes auf unserem Hof und kann in Form von Sugo lang und gut aufbewahrt werden.

Das ist ja nicht Ihr erstes großes Abenteuer. Sie waren ja mit dem Rad bis nach Athen unterwegs. Was haben Sie sich damals alles angesehen?
Prikoszovits: Als ich vor fast zwei Jahren nach Griechenland mit dem Rad unterwegs war, wiederholte sich ein Bild ganz deutlich in der Landwirtschaft. Neben der schönen blauen Donau und dem von mir geliebten Meeresblick überwogen vor allem die überdimensionierten Felder mit Monokulturen, die dauerhaft, externe lebenserhaltende Maßnahmen benötigen, damit am Ende etwas auf den ausgetrockneten Böden wachsen kann. Eines blieb fast immer gleich: Der Gedanke, möglichst viel, möglichst schnell zu produzieren. Bewusst verwende ich den Begriff „effizient“ nicht.
Bleibt „Free Sugo“ eine einmalige Aktion?
Prikoszovits: Das kann man jetzt noch nicht sagen. Zuerst dürfen die Tomaten erst einmal in ihre Gläser, bevor wir uns Gedanken über den Inhalt der nächsten Gläser machen.
Was kommt nach der Tomate?
Prikoszovits: In Österreich wäre das wohl der Winter. In Almeria ist das aber eher der Start der Wassermelonensaison.