Steiner im Interview: „Die Lage ist nicht hoffnungslos“

BVZ: Die sonst so lebendigen Hotspots der Stadt sind nun menschenleer – wie fühlt man sich da als Bürgermeister?
Thomas Steiner: Zugegeben – es ist schon etwas befremdlich durch die leeren Straßen zu gehen und die geschlossenen Geschäfte, Kaffeehäuser und Restaurants zu sehen. Aber es ist derzeit einfach notwendig, seine sozialen Kontakte auf ein Mindestmaß zurück zu fahren.
Sie haben schnell auf die Maßnahmen der Bundesregierung reagiert und die Stadt auf eine größtmögliche Reduktion des sozialen Lebens vorbereitet. Wie schwer fällt so ein Schritt?
Natürlich ist es schwierig solch drastischen Maßnahmen beschließen zu müssen. Aber am Ende des Tages bin ich überzeugt davon, das Richtige getan zu haben. Die Schritte waren einfach notwendig, um einen großen Beitrag zur Senkung der Ansteckungsgefahr zu leisten.
Wie funktioniert Social Distancing in öffentlichen Berufen wie der Politik? Wie sieht Ihre Arbeit in der Landespolitik aus?
Wir leben in einer digitalen Welt, wo quasi jeder mit jedem vernetzt ist. Sei es über soziale Medien, das Smartphone oder allgemein das Internet. Anliegen können digital geklärt werden, Sitzungen können durch E-Mails oder Telefonate ersetzt werden. Aber natürlich fehlt auch mir die persönliche Ansprache – sei es nun mit den Bürgern oder Parteikollegen.
Sie halten die Stellung im Rathaus, Teile Ihres Teams sind im Home Office – wie funktioniert die Kommunikation, wie ändert die Distanz den Berufsalltag?
Wir sind natürlich auf die digitalen Kommunikationswege angewiesen. Viele Dinge, die über Zuruf im Büro erledigt werden konnten, müssen nun via Anruf geregelt werden. Das ist natürlich anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, funktioniert aber mittlerweile sehr gut. Alle im Rathaus und den ausgelagerten Büros haben sich sehr gut auf die Situation eingestellt.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien?
Ich bin sehr froh, dass hier alle an einem Strang ziehen. Wir haben nach Bekanntwerden der Maßnahmen der Bundesregierung alle Fraktionen an einen Tisch geholt und über die wesentlichen Schritte informiert. Auch die Bereitschaft, bei der Servicehotline außerhalb der Amtsstunden und an den Wochenenden mitzuhelfen, ist vorbildlich.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Land?
Auch hier zeigt sich: In Krisenzeiten funktioniert die Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg. Wir haben im Einvernehmen mit dem Land und dem Orden der Barmherzigen Brüder eine schnelle und praktikable Lösung gefunden, um eine Betreuungseinrichtung schaffen zu können. Sollten die Kapazitäten der heimischen Spitäler erschöpft sein, dann stehen im Allsportzentrum 108 Betten für COVID-19-Patienten bereit. Die Stadt stellt die Infrastruktur selbstverständlich kostenlos zur Verfügung – das ist unser Beitrag zur Versorgungssicherheit für die Bürger!
Was ist Ihre Meinung zum – relativ flachen – Verlauf der Infektionskurve in der Stadt?
Hier muss ich der Eisenstädter Bevölkerung wirklich ein großes Lob und meinen aufrichtigen Dank aussprechen! Sie haben sich von Beginn weg, an die Vorgaben gehalten. Zahlreiche Reiserückkehrer aus Risikogebieten haben sich gemeldet und freiwillig in Heimquarantäne begeben. Jeder leistet seinen Teil zum Abflachen der Kurve.
Ihr Sohn hat sich freiwillig zum Zivildienst gemeldet – wie beschreibt er die Situation?
Derzeit wartet Thomas noch auf seine Einberufung, aber ich kann schon jetzt festhalten: Ich bin sehr stolz auf meinen Sohn! Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, sich innerhalb kürzester Zeit freiwillig zum Zivildienst zu melden. Er und alle anderen freiwilligen Jugendlichen lassen mich guten Mutes in die Zukunft blicken!
Ökonomen gehen von einem Wirtschaftsrückgang aus. Wie wird sich das auf die Stadt auswirken? Wird der Zuzug abnehmen?
Das ist zum heutigen Zeitpunkt realistisch noch nicht absehbar. Die Stadt selbst steht zwar wirtschaftlich und finanziell auf einem grundsoliden Fundament, aber es ist natürlich mit massiven Einbrüchen bei den Ertragsanteilen und der Kommunalsteuer zu rechnen. Daher sehen wir uns auch gezwungen, einige Projekte, die nicht unbedingt erforderlich sind, zeitlich etwas nach hinten zu verschieben. In ungewissen Zeiten wollen wir den betroffenen Geschäftsleuten aber trotzdem eine gewisse Sicherheit verschaffen. Letztendlich geht es darum, die Wirtschaft so rasch wie möglich wieder anzukurbeln und Arbeitsplätze zu sichern.
Die Gastronomie und Familienbetriebe der Stadt leiden unter der wirtschaftlichen Ausnahmesituation – wie kann die Stadt helfen?
Wir haben bereits am 17. März unbürokratische Sofortmaßnahmen für die Eisenstädter Unternehmer ins Leben gerufen. Die Pächter von städtischen Einrichtungen zahlen bis auf weiteres keine Pacht. Dazu gehören alle Einrichtungen im Allsportzentrum (Frisör, Massage, Nagelstudio, Fitnessstudio und Restaurant „il bagnino“) sowie „Die Alm“ in der Gloriette und die Kaffeerösterei „2Beans“ im Kleinhöfleiner Martinshof. Auch die Pacht für Schanigärten ist ausgesetzt. Allen anderen Unternehmen mit Sitz in Eisenstadt wird auf Antrag die Stundung von Gemeindeabgaben (Kanalabgaben, Kommunal- und Grundsteuer) vorerst bis Ende August gewährt.
Viele Kleinunternehmen waren auch kreativ (Stichwort Lieferservices). Welche Ideen gefallen Ihnen besonders? Wo haben Sie vielleicht auch schon bestellt?
Mir gefällt besonders gut, dass so viele Unternehmer die Krise auch als Chance sehen, um ihr Geschäftsfeld zu erweitern bzw. zu verlagern. Das hat kreative Unternehmer immer schon ausgezeichnet: Man passt sich an die Gegebenheiten des Marktes an. Jede Bestellung bei einem regionalen Unternehmen unterstützt ihn – es wäre schön, wenn das auch viele beherzigen.
Wie wird sich das Leben in der Stadt nach Corona Ihrer Meinung nach verändern? Wo sehen Sie Chancen, wo Gefahren?
Chancen sehe ich definitiv in der Digitalisierung. Sowohl für die Wirtschaft, als auch für die Verwaltung. Auch der Magistrat Eisenstadt wird künftig seine digitalen Angebote vermehrt vor den Vorhang stellen – viele Amtswege können bereits jetzt online erledigt werden. Hier wird es aber sicher eine Ausweitung des Angebots geben. Der Verlust der zwischenmenschlichen Kontakte könnte natürlich als Gefahr gesehen werden. Aber gerade in einer Stadt wie Eisenstadt – wo man noch seinen Nachbarn kennt und sich täglich auf der Straße grüßt – wird das soziale Leben nach der Krise sicherlich weiter gehen.
Was sind Ihre Tipps für die Eisenstädter gegen den Lagerkoller?
Ich persönlich nutze die freigewordene Zeit in meinem Kalender für Sport und gehe regelmäßig im Wald laufen. Das macht den Kopf frei und lässt einen die Sorgen des Alltags vergessen. Diesen Tipp möchte ich auch allen weitergeben: Bewegung an der frischen Luft ist, mit dem notwendigen Abstand, gut für Körper und Geist. Ja, die Lage ist ernst – aber sie ist mit Sicherheit nicht hoffnungslos!