Martin Korpitsch: Seismograf seit 40 Jahren. Vor 40 Jahren wurde Generalvikar Martin Korpitsch zum Priester geweiht. Mit der BVZ sprach er über Bischof Laszlo, Technik, Pendler, vollere Kirchenbänke und die Corona-Krise.

Von Markus Kaiser. Erstellt am 19. Juli 2020 (06:04)
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr

Der Satz, der Martin Korpitsch am besten beschreibt, fällt bezeichnenderweise nicht im Interview, sondern während ein Anruf dieses unterbricht.

Die Anruferin ist aufgebracht, mit einer Eselsgeduld hört sich Korpitsch ihre Sorgen für mitgestoppte 14 Minuten an. Am Ende ist der Ton freundschaftlicher und Korpitsch legt mit dem Seufzer „Ich weiß ja, dass ich oft eine Klagemauer bin“, auf.

Selbst in solchen Situationen kommen die beiden herausragendsten Eigenschaften des 64-jährigen Mogersdorfers zur Geltung: Eine innere Ruhe, die man nur noch innerhalb von Kirchenmauern findet, und ein Lächeln, das von Herzen kommt.

BVZ: Wieso haben Sie sich für das Priesteramt entschieden?

Martin Korpitsch: Mich hat mein Großvater stark geprägt und auch mein Onkel, Alois Tonweber, der Pfarrer in Stegersbach.

Sie wurden nach Ihrer Priesterweihe 1981 bis 1988 der Sekretär von Bischof Stefan Laszlo. Wie hat er Sie geprägt?

Er war wie ein Großvater für mich, aber schon eine starke Respektsperson – ich war nie per du mit ihm. Wir mussten immer fleißig sein, das war ihm sehr wichtig. Es konnte gut sein, dass um 22 Uhr noch ein Anruf mit Arbeitsaufträgen von ihm kam. Auch er war fleißig und demissionierte erst mit 80.

Was hat sich in diesen 40 Jahren für Sie gerändert?

Also die Kirchenbänke sind schon ein wenig spärlicher besetzt als früher, vor allem seit Corona. Aber generell kann ich nach den 40 Jahren sagen: Was bleibt, sind die Beziehungen. Bei meiner Jubiläums-Messe habe ich Menschen getroffen, die hab‘ ich seit 30 Jahren nicht mehr gesehen, aber wenn man dann ins Reden kommt, fühlt es sich an, als wäre man nie getrennt gewesen. Die größte Veränderung ist der Tod eines geliebten Menschen.

Und technisch? Sie sind ja als eifriger WhatsApp-User bekannt.

Als Bischöflicher Sekretär habe ich die erste Olivetti-Schreibmaschine bekommen. Die hatte ein A4-Display. Das hat das Predigtenschreiben schon deutlich vereinfacht. Aber heute.... das Handy ist ein Instrument der Verkündung geworden – das hätte ich nie gedacht. Die Technik hat schon auch Gefahren. Nicht nur, dass ich auf manchen Computern meine Mess-Dokumente nicht öffnen kann – in der Diözese Linz überlegen manche, das Streaming von Messen zu beenden, weil das Gläubige von der Kirche fernhalten könnte.

Sie haben Ihre Diplomarbeit an der Uni Wien über die pastoralen Herausforderungen für Pendler geschrieben. Ein Pendler-Land ist das Burgenland nach wie vor.

Früher waren die Burgenländer vor allem Wochen-Pendler. Da reduzierte sich das Leben der Pfarrgemeinde auf das Wochenende. Heute sind ja fast alle Tagespendler, das hat sich schon verändert. Mein Betreuer war damals übrigens Professor Müller, sein Assistent war Alois Schwarz, der heutige Bischof von St. Pölten.

Bischof Ägidius Zsifkovics nannte Ihr Gespür für die Sorgen der Menschen „seismografisch“. Was sind die Sorgen der Corona-Ära?

Als Generalvikar kommen die Leute oft erst zu mir, wenn der Hut schon brennt. Dafür bekomme ich viel aus den Gemeinden mit. Dort gibt es viele Sorgen um den Arbeitsplatz. Die wirtschaftlichen Corona-Folgen kommen jetzt erst so richtig auf uns zu. Und ich frage mich, wie sich die Sorgen und die soziale Isolation auf die Beziehungen der Menschen auswirken wird.

Was sind die Herausforderungen an die Kirche in der Corona-Krise?

Die Corona-Krise ist Pflicht-Test für uns! Wir müssen die seelsorgerischen Bedürfnisse der Menschen erfüllen, uns Zeit nehmen für Fragen und Ängste, den Menschen Rat, Offenheit und Liebe schenken. Das ist die Aufgabe für alle Priester, Mitarbeiter und Ehrenamtliche.

Entdeckt in Krisenzeiten der Mensch die Spiritualität wieder?

(denkt lange nach): Gott um seine Hilfe zu bitten, das tut gut. Ich merke das oft in Krisensituationen. Aber: Für die Spiritualität als ständigen Kontakt mit Christus – dafür muss man sich Zeit nehmen. Die wird in unseren hektischen Zeiten immer knapper. Die entschleunigte Corona-Zeit wäre also tatsächlich eine Chance, die Spiritualität wiederzuentdecken.

Sie waren in Nord (Donnerskirchen) und Süd (Pinkafeld), Stadt (Eisenstadt) und Dorf (Schützen) Pfarrer – was lernt man daraus?

Allein in Eisenstadt gibt es Städter, Bergler, Schurldorfer, Kleinhöfleiner: das sind verschiedene paar Schuhe. In Schützen hat man damals noch den Wein aus Dopplern getrunken, in Donnerskirchen schon aus der Bouteille. Das war schon ein Unterschied im Selbstverständnis, deswegen hat es auch geheißen „die Schützener tun die Saubären einsperren“, die Donnerskirchner waren die „Krenreißer“. Pinkafeld hingegen war damals schon städtisch. Es gab 3.000 Evangelische und 5.000 Katholiken. Alle waren gleichberechtigt, aus dieser Ökumene habe ich viel gelernt.

Wie steht es um Ihre Gesundheit?

Ich habe die Folgen des Krebs unter Kontrolle und habe dadurch gelernt, für jedes Lebensjahr dankbar zu sein.