Mega-Bau: Pensionist legt sich mit Orban an

Erstellt am 20. August 2020 | 05:55
Lesezeit: 6 Min
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr
Franz Meisel, Eigentümer eines der 2018 abgebrannten Seehäuser im Hafen von Fertörakos, legt Einspruch gegen das Projekt am Neusiedler See ein.
Werbung

Gegen das Mega-Bauprojekt im Hafen von Fertőrákos wurde nun doch in letzter Sekunde ein Einspruch (nach ungarischem Recht eigentlich eine Klage) eingereicht.

Gegen den 75 Millionen Euro teuren Bau der Sopron-Neusiedler Tourismusentwicklung Nonprofit AG (sie steht dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán nahe) hatten Umweltschützer Alarm geschlagen: Der Plan rund um ein zweistöckiges Hotel, 26 neue Beton-Häusern, einem Tennis-Court und einer Marina für 800 Anlegeplätze sei ein viel zu aggressiver Eingriff in das Ökosystem des Neusiedler Sees. Der Status als Unesco-Weltkulturerbe ist bedroht.

Wie die BVZ in der letzten Ausgabe berichtet hatte , sah die burgenländische Landesregierung die Bundesregierung am Zug, nach Auskunft von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) könne allerdings nur die Landesregierung Einspruch einlegen.

Der mutige Herr Meisel

Die Frist für den Einspruch (15. August) näherte sich, ohne, dass sich eine Lösung des Kompetenzstreits abzeichnete. Orbáns Mega-Bau schien spruchreif. Bis sich ein pensionierter HTL-Lehrer ein Herz nahm.Der gebürtige Weinviertler Franz Meisel kennt im Burgenland Gott und die Welt, seit sein Haus am See in Fertörakos 2018 in Flammen stand, kennen ihn auch die Burgenländer.

„Es war der 28. Juni und es war brennheiß“, erinnert sich der Pensionist. „Ich hab zwei Kisten Bier in mein Haus getragen und gesehen, dass im Haus neben mir das Schilfdach saniert wird. Da wurde geflext, dass die Funken geflogen sind. Nur wenige Minuten später hab ich das Feuer schon gerochen. Und dann war das Feuer schon bei mir.“ Das Haus, das Meisel 2004 gekauft hatte, brannte gänzlich ab.

„Die haben uns alle weggeschickt. Und seither ist der Seezugang gesperrt. Das muss man sich einmal vorstellen: Die Leute in Fertőrákos und in Sopron können seit zwei Sommer schon ihren See nicht nutzen.“ Franz Meisel

„Die ungarischen Behörden haben gesagt: Brandursache unbekannt“, lacht Meisel. Aber immerhin: Der Wiederaufbau wurde genehmigt, der gelernte Techniker schlug 60 Pilotpfähle ein und besorgte Zement. Über 100.000 Euro habe er für den Wiederaufbau schon investiert, da standen im vergangenen Sommer plötzlich drei Polizisten am Ufer. „Die haben uns alle weggeschickt. Und seither ist der Seezugang gesperrt. Das muss man sich einmal vorstellen: Die Leute in Fertőrákos und in Sopron können schon zwei Sommer lang ihren See nicht benutzen.“

Die Schikane ging noch weiter: Einsicht in die Baupläne durfte die Öffentlichkeit im Soproner Magistrat nur in der Weihnachtswoche von 23. bis 31. Dezember 2019 nehmen – und eben in der Woche bis 15. August. Theoretisch jedenfalls: „Ich war mit meinem Anwalt dort. Das Magistrat siedelt gerade – kein Parteienverkehr.“, fühlt sich Meisel in bisschen wie im berühmten Roman „Das Schloss“ von Franz Kafka.

Die Kosten für den Einspruch sind hoch: 5.000 Euro muss der Pensionist aus der eigenen Tasche zahlen – ohne Anwaltkosten. „Ich hätte mir da schon mehr Unterstützung von österreichischer Seite erwartet“, seufzt Meisel im BVZ-Gespräch abschließend.

Kritik von UNO-Stellen an Passivität Österreichs

Christian Schuhböck, Alliance for Nature-Generalsekretär, wird da schon deutlicher: Er habe mehrfach bei Umweltministerin Leonore Gewessler auf die Dringlichkeit des Einspruches gepocht, eine Antwort sei aber ausgeblieben. „Die Problematik der voranschreitenden Verbauung des Neusiedler Sees abermals auf die lange Bank geschoben, anstatt ihr endlich Einhalt zu gebieten“, betont er der BVZ gegenüber.

440_0008_7912102_eis34wagi_pelikan.jpg
Wolfgang Pelikan, Umweltschtz-Aktivist bei der UN-Feuchtegebietekonvention Ramsar.
Foto: BVZ

Auf globaler Seite können die österreichisch-ungarischen Aktivisten immerhin einen Achtungserfolg erzielen: Die UNESCO hat die Republik Ungarn zu einer Stellungnahme zum Tourismusprojekt in Fertőrákos (bis Ende dieses, spätestens Anfang kommenden Jahres) aufgefordert.

Ein unangenehmes diplomatisches Mittel, das aber vielleicht schon zu spät kommen könnte.Wolfgang Pelikan, Eisenstädter Aktivist beim UNESCO-Feuchtgebieteschutz Ramsar, zeigt sich im BVZ-Gespräch ebenfalls enttäuscht von der Landespolitik. Vor allem von der Grünen Landespartei-Chefin Regina Petrik hätte er sich mehr erwartet als ihren „zahnlosen“ Antrag im Landtag. Dieser sei nicht mehr als eine Willensbekundung, jedoch ohne konkrete Schritte.

Noch eine Klage mit Grüner Hilfe

Diese konkreten Schritte ließ die angesprochene Grünen-Chefin am vergangenen Mittwoch folgen: Da präsentierte Petrik ebenfalls eine Klage gegen das Mega-Bauprojekt. Sie unterstützt dabei Rudolf Golubich, der Neusiedler nahm sich ein Beispiel an Franz Meisel und beschloss auch zu klagen.

440_0008_7912083_eis34wagi_petrik.jpg
Zweite Klage. Regina Petrik und Rudolf Golubich präsentieren bei einer Pressekonferenz eine weitere Klage gegen den Mega-Bau.
Foto: zVg Grüne

Pikantes Detail: Golubich ist als schlagender Burschenschafter Petrik politisch entgegengesetzt. „Wenn man weiß, für welche Sache man kämpft, spielt die Farbe keine Rolle“, betont Petrik ihren sachpolitischen Zugang. SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst nimmt ihr den nicht ab: „Da zeigt sich die Doppelmoral der Grünen. 2015 hat Petrik uns wegen der SPÖ-FPÖ-Koalition noch hefitg kritisiert und jetzt gibt sie einem Rechtsradikalen eine Bühne.“

Nach dem Welterbe kommt der Bau-Boom

Generell vermutet wohl nicht nur Pelikan, dass hinter dem Zögern der österreichischen Seite auch Kalkül stecken könnte: „Ich fürchte viele Bauherren warten nur darauf, dass der UNESCO-Schutz fällt und sie direkt am See drauflos bauen können.“ Außerdem, so Pelikan, habe die ungarische Seite ein starkes Argument bei der Verhandlung mit Österreich: Die Burgenländische Landesregierung will wegen der anhaltenden Trockenheit Donauwasser in den Neusiedler See umleiten. Nach dem Nein aus Niederösterreich, braucht das Burgenland dazu nun ein Ja aus Ungarn.

Letzteres weist das Land Burgenland vehement zurück, zumal die ungarischen Behörden selbst mit der Idee der Wasserzuleitung – vorerst für die Dotierung des Grundwasserspiegels im Seewinkel- und Hansag-Gebiet – auf das Burgenland zugekommen seien.

Zum Hafenprojekt in Fertörakos hat die österreichische Seite im Rahmen der österreichisch-ungarischen Gewässerkommission eine wasserfachliche Stellungnahme zu Phase I und Phase II abgegeben hat. Es wurde dem Vorhaben unter Vorschreibung von wasserfachlichen Auflagen zugestimmt. Wasserfachlich seien keine negativen Auswirkungen auf den österreischischen Teil des Sees gesehen worden. Kritik über die Dimensionen des Projekts sei in der Stellungnahme aber schon geäußert worden, etwa was die zahlreichen Stellplätze für Boote betrifft.

Werbung