St. Margarethen: „Zeitler-Tant“ als ukrainische Volksheldin

Erstellt am 15. Jänner 2022 | 05:53
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Franziska Zeitler und ihr Ehemann Zakhar Ponomarenko, den sie als Kriegsgefangenen kennenlernte und dem sie in die Ukraine folgte. In ihrer Wahlheimat Gorbove gilt Zeitler als Volksheldin. Foto: privat
Foto: BVZ
Franziska Zeitler wird vier Jahrzehnte nach ihrem Tod verehrt — in der Ukraine.
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Nach dem Ersten Weltkrieg tauschte Franziska Zeitler ihr bescheidenes Leben in St. Margarethen für die Ungewissheit der damaligen Sowjetunion. Heute, vier Jahrzehnte nach ihrem Ableben, wird die Burgenländerin im Dorf Gorbove in der heutigen Ukraine als Heldin gefeiert.

1895 wurde Franziska Zeitler in St. Margarethen in einfachen Verhältnisse geboren. Um 1915 lernte sie den Kriegsgefangenen Zakhar Ponomarenko kennen. Ein Jahr später heiratete das junge Paar und es dauerte nicht lange, ihre drei Kinder — Ivan, Maria und Fania — das Licht der Welt erblickten.

„Wenn sie gewusst hätte, was sie erwarten würde, wäre sie nicht in den Zug gestiegen“
Josef Zeitler, Franziska Zeitlers Neffe

Als Ehemann Zakhar mit dem letzten Zug in die Heimat zurückkehren sollte, musste sich die schwangere Franziska entscheiden, wo sie ihre Zukunft verbringen würde. Schließlich folgte sie ihrem Mann in die Ukraine. „Wenn sie gewusst hätte, was sie erwarten würde, wäre sie nicht in den Zug gestiegen“, so ihr Neffe aus St. Margarethen, Josef Zeitler.

„Ich war schon einige Male vor Ort. Ich kenne also die Umstände. Sie war in der ukrainischen Ortschaft eine sehr angesehene Person“
Josef Zeitler über Franziska Zeitler

Während des Zweiten Weltkrieges zeigte sie Courage und verhinderte mehrmals die Zerstörung ihres Heimatdorfes Gorbove. Unter dem Einsatz ihres eigenen Lebens konnte Franziska Zeitler das Leben tausender anderer Zivilisten retten. „Ein deutscher Offizier hatte sie insgeheim vorgewarnt, dass eine Razzia bevorstehen würde – alle Mädchen sollten eingefangen werden. Schnell konnten die Mädchen in den Wäldern verschwinden, um nicht gefunden zu werden. Sie verdanken Franziska ihr Leben“, erklärt Josef Zeitler.

Ihr Einsatz hatte jedoch seinen Preis. Kurze Zeit nach der Befreiung durch die Rote Armee drohte ihr die Hinrichtung. sowjetische Truppen beschuldigten die Österreicherin des Verrates aufgrund ihrer Kollaboration mit den deutschen Besatzern — obwohl ihre Intention auch nur zu verhindern war, dass ihr Dorf zerstört wird, so die Überlieferung in der Gemeinde. Die Bewohner des Ortes standen ihrer Heldin jedoch zur Seite und verhinderten den Strafvollzug.

Ihre Taten gerieten nicht in Vergessenheit. Als sie verstarb, ehrte das gesamte Dorf das Andenken der Zuwanderin. Heute befindet sich in der Schule des Dorfes ein kleines Museum zu ihrem Gedenken. Eine ukrainische Gemeinschaftsstiftung hat es sich nun zum humanitären Ziel gemacht, die Figur Franziska Zeitlers als „Gerechte der Welt und Hüterin des Volkes der Ukraine zu verherrlichen und zu verewigen.“

„Dabei war immer das Ziel, für die Gemeinschaft etwas Gutes zu tun, nicht bloß für die Familie.“ Josef Zeitler

Ihre österreichische Verwandtschaft sucht ihrerseits den Kontakt in die Ukraine. „Ich war schon einige Male vor Ort. Ich kenne also die Umstände. Sie war in der ukrainischen Ortschaft eine sehr angesehene Person“, erzählt Neffe Josef Zeitler. „Mein Sohn Franz pflegt auch weiterhin Briefkontakt mit der ukrainischen Gemeinde“, fügt er hinzu. Auch das Dorf Gorbove hat ungemein profitiert: „Wir haben geholfen Geld zu sammeln, um die Kirche fertigzustellen. Auch andere Projekte konnten mit unserer Hilfe auf die Beine gestellt werden“, so Neffe Josef. „Dabei war immer das Ziel, für die Gemeinschaft etwas Gutes zu tun, nicht bloß für die Familie.“

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