Von Ritzing bis Hornstein: Schlepper raste Polizei davon

Jetzt stand der 28-jährige moldawische Staatsbürger vor Gericht. Weil er sich trotz der Unterstützung durch eine Anwältin ungeschickt verantwortete und Andeutungen zu zusätzlichen Schlepperfahrten machte, wurde der Prozess vertagt.
Ursprünglich war dem Moldawier nämlich nur eine Schlepperfahrt vorgeworfen worden, die von 3. auf 4. März 2023 stattfand. 14 Fremde sollte der Schlepper damals in seinem Mercedes Kastenwagen von der serbisch-ungarischen Grenze nach Wien bringen.
Für die Einreise wählte er den Grenzübergang Ritzing, wo ein Bundesheerbeamter versuchte, den Lenker des verdächtigen Kastenwagens unter Zuhilfenahme eines Signalstabs zu stoppen.
Soldat musste zur Seite springen
Der Schlepper ignorierte die Anhaltezeichen und stieg aufs Gas. Der Soldat berichtete später, er habe sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen müssen, das Auto sei einen halben Meter entfernt an ihm vorbeigerast.
„Ich wusste nicht, dass ich eine Grenze passieren muss“, sagte der Angeklagte am Dienstag, 30. Mai, vor Gericht. „Ich glaubte, in Europa gibt es nur die ungarische Grenze und sonst nichts.“
Er habe einen Mann mit Hund gesehen, so der Angeklagte. Ein am Straßenrand abgestelltes Auto habe ihn geblendet.
Auf WhatsApp postete jemand: „Gas, Gas!“
Richterin Melanie Gschiel wies auf die Handy-Auswertung hin. In einer WhatsApp-Gruppe der Schlepperorganisation sei „Gas, Gas!“ gepostet worden, exakt zu jener Zeit, als der Moldawier den Grenzübergang passierte und in Richtung Schnellstraße S31 weiterraste.
Trotzdem beteuerte der Angeklagte, er sei nicht von anderen Beteiligten der Schlepperorganisation begleitet worden.
Nach dem vergeblichen Anhalteversuch an der Grenze fuhr der Schlepper mit den 14 Flüchtlingen im Auto auf die S31 auf. Auf Höhe Wulkaprodersdorf versuchte die Polizei, den Flüchtenden zu stoppen. Der Schlepper sei daraufhin, so Staatsanwältin Patricia Lendzian, im „Zick-Zack-Kurs“ weitergefahren. Mehrmals soll der Flüchtende versucht haben, die Polizeiautos abzudrängen.
Mit 100 km/h durch Müllendorf und Hornstein
Die Flucht nahm kurz danach noch dramatischere Züge an. Der Schlepper fuhr von der Schnellstraße ab und durchquerte Müllendorf und Hornstein mit bis zu 100 km/h. In Müllendorf scheiterte ein weiterer Anhalteversuch durch die Polizei, weil der Schlepper auf vollen Kollisionskurs mit dem als Straßensperre aufgestellten Streifenwagen ging.
Der Lenker des Polizeiautos verriss das Auto in letzter Sekunde, um einen Zusammenstoß zu verhindern.
Auf der Flucht überfuhr der Moldawier sogar einen Hasen. Das habe er bemerkt, gab der Mann vor Gericht zu. Offenbar durch sein Navi in die Irre geleitet, durchbrach er bei Hornstein mit seinem Auto einen Schranken und fuhr in ein Feld.
Dort kam der Kastenwagen zum Stillstand und der Schlepper wurde verhaftet.
„Ich gebe alles zu, ich bin schuldig“, sagte der Angeklagte. „Es tut mir sehr, sehr leid.“ 1.000 Euro seien ihm für eine Fahrt nach Wien versprochen worden, 2.000 für einen Transport bis Deutschland.
„Warum blieben Sie nicht stehen?“, fragte ihn die Richterin. „Ich hatte Angst vor der Verhaftung“, antwortete der Angeklagte.
„Auf der Autobahn lösten Sie bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h das Radar aus“, hielt ihm die Richterin vor.
Das wollte der Angeklagte nicht glauben: „Wäre ich alleine gewesen, hätte ich 140 km/h erreichen können, aber nicht mit 14 Leuten im Auto.“
Der Prozess wurde vertagt.