Filigrane Kunstwerke zu Ostern

Wenn man Erika Stipsits bei ihrer Arbeit zuschaut, scheint die Zeit stillzustehen. Mit ruhiger Hand hält sie die zarten, zerbrechlichen Eier und verwandelt sie mit einer scheinbaren Leichtigkeit in kunstvolle Unikate. Zurzeit ist Hochsaison für die großen und kleinen Ostergrüße aus Stinatz. Weit über den Bezirk hinaus sind sie bekannt und finden jedes Jahr aufs Neue dankbare Abnehmer, die damit ihre Wohnungen und Häuser zieren.
Mit viel Geduld zum perfekten Ei
Doch wer die Kunst des Eierkratzens erlernen will, braucht viel Ruhe und Ausdauer. Erika Stipsits hat schon in ihrer Kindheit bei ihrer Mutter dieses außergewöhnliche Hobby miterlebt, das seit langer Zeit zur Stinatzer Tradition gehört. Mit elf Jahren konnte sie bereits ihre ersten selbst gestalteten Eier verkaufen. „Es hat eine Zeit gegeben, in der ich es sehr gerne gemacht habe, aber auch eine Zeit, in der das nicht so war. Aber letztendlich ist die Freude geblieben“, erzählt die gebürtige Stinatzerin. Damals gab es noch viele Frauen, die sich dieser Tradition verschrieben haben, mittlerweile sind es nur mehr vier.

Das breite Spektrum der filigranen Kunstwerke reicht von winzigen Wachteleiern über Hühner-, Gänse- und Enteneier bis hin zu beeindruckend großen Straußeneiern. Ganz hoch im Kurs stehen heuer Nandu-Eier, die mit kräftigen Farben bemalt und einer goldenen Bordüre umhüllt und einen imposanten Blickfang bilden.
Jedes Ei wird zuerst ausgeblasen, dann gefärbt und getrocknet. Die klassischen Farben Rot (für die Auferstehung), Schwarz (für Trauer) und Violett (für die Fastenzeit) sind durch alle erdenklichen Farben ergänzt worden, viele wünschen sich rosa Eier als Geschenk für ein Mädchen oder sogar ein spezielles „Fußball-Ei“ in der Farbe und mit dem Logo des Lieblingsvereins.
„Man arbeitet nach Gefühl“
Die traditionellen Eier sind aber nach wie vor mit alten Mustern verziert, die Erika Stipsits seit ihrer Kindheit in einer Mappe sammelt. Aber woher weiß man, dass sich die aufwendigen Verzierungen auf dem runden, für Malereien doch etwas unförmigen Untergrund ausgehen?
„Man arbeitet nach Gefühl“, lacht die Hobbykünstlerin, „am besten beginnt man in der Mitte und arbeitet sich dann weiter hinaus. Es geht sich immer aus.“ Gekratzt werden die Muster mit einer selbstgemachten Eisensäge, früher wurden dafür Rasiermesser verwendet. Diese kann man auch heute noch auf Flohmärkten kaufen und sie eignen sich besonders für Anfänger, die diese Kunst erlernen wollen.
Erika Stipsits ist es ein großes Herzensanliegen, diese Tradition weiter leben zu lassen. Sie besucht in der Fastenzeit regelmäßig Schulen, um den Kindern diese Kunst zu zeigen. Auch ihre Haustür steht den Besuchern offen, so können sie die Entstehung eines gekratzten Eis hautnah miterleben. „Am liebsten nehmen die Gäste dann genau dieses Ei mit, bei dessen Entstehung sie dabei waren“, freut sich Frau Stipsits über das große Interesse an dem aufwendigen Handwerk.
Das ganze Jahr Freude an der filigranen Kunst
Begonnen wird mit dem Eierkratzen schon zwei Wochen nach Weihnachten, spätestens zwei Wochen nach Ostern ist dann die Arbeit für die Saison getan. Gekauft werden die Kunstwerke aber das ganze Jahr über. „Viele Urlauber kommen auch im Sommer und möchten ein Ei als Andenken mit nach Hause nehmen. Deshalb schaue ich immer, dass ich einige fertig habe. Ich möchte, dass die Leute zufrieden und glücklich wieder zurückfahren“, erklärt Erika Stipsits. Wer nun neugierig geworden ist hat noch bis Karfreitag Zeit, sich ein ganz besonderes Osterei zu holen.