Eine Vielzahl an Lügen


BEZIRK GÜSSING / Mir ist selten bei einem Strafverfahren eine solche Vielzahl an Lügen vorgekommen!, wunderte sich Richter Dr. Wolfgang Rauter in seiner Urteilsbegründung am Ende des Prozesses gegen jenen 43-jährigen Apfelbauern aus dem Bezirk Güssing und seine 48-jährige Schwester, denen vorgeworfen wurde, einen schwer verletzten Erntearbeiter nicht am schnellsten Weg ins Spital, sondern auf der Ladefläche eines Lieferwagens bis an die ungarische Grenze gebracht zu haben.
Der Unfall hatte sich am 5. September 2010 am Anwesen des Landwirtes ereignet, der zu diesem Zeitpunkt Teilnehmer der TV-Show Bauer sucht Frau gewesen war. Der 36-jährige rumänische Erntehelfer war an diesem Sonntag, wie auch schon an den beiden Tagen davor, nicht zum Apfelpflücken eingeteilt worden, sondern zu Planierarbeiten mit einer Walze.
Als er gerade dabei war, ein Plateau zu planieren, kippte der Rumäne mit der Walze eine Böschung hinunter und blieb mit Knochenbrüchen schwer verletzt liegen. Der Landwirt und seine Schwester alarmierten nicht die Rettung, sondern brachten den Mann bis zur Grenze, wo er von einem Arbeitskollegen übernommen und in ein ungarisches Spital gebracht wurde. Erst im Nachhinein wurde er per Fax bei der Sozialversicherung angemeldet. Landsleute des Unfallopfers sagten vor Gericht aus, der Landwirt und seine Schwester hätten versucht, sie zu einer Falschaussage bezüglich des Arbeitsbeginns anzustiften.
Als ich ihn sah, dachte ich, er würde sterben
Als ich meinen Mann im Spital sah, glaubte ich, er würde sterben, erklärte die Gattin des Rumänen vor Gericht. Sie habe vom Arbeitgeber ihres Mannes 3.000 Euro bekommen und sollte ein Schriftstück unterschreiben, was sie aufgrund ihres Analphabetismus aber nicht konnte.
Der Landwirt und seine Schwester hatten sich zu sämtlichen Vorwürfen nicht schuldig bekannt. Sie seien von einigen Rumänen erpresst und bedroht worden, behaupteten sie. 150.000 habe man gefordert - ob Euro oder rumänische Lei, war nicht zu klären.
Der Landwirt wurde wegen unterlassener Hilfestellung, Anstiftung zur falschen Beweisaussage und Fälschung eines Beweismittels zu fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und 2.400 Euro Geldstrafe verurteilt, seine Schwester wegen derselben Delikte zu vier Monaten Haft auf Bewährung und 720 Euro Geldstrafe.
Nicht schuld sind die beiden an dem Unfall selbst - zum Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung gab es einen Freispruch. Die Geschwister baten um Bedenkzeit - das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Der Landwirt und seine Schwester vor dem Gerichtssaal.