Lisl Wagner-Bacher: „Ich habe mir das Kochen selbst beigebracht“

NÖN: 40 Jahre – ein kurzer Rückblick, was würden Sie heute anders machen?
Lisl Wagner-Bacher: Ich hatte in meinem Leben Glück, viel Glück, habe aber auch viel richtig gemacht. Ich kann diesbezüglich nur sagen: Es ist gut so, wie wir es gemacht haben. Wir – mein Mann und ich – blieben immer unserem Weg treu. Obwohl es am Anfang viele Zweifler gegeben hat, als wir mit anderen Speisen begonnen haben. Wir haben damals, Anfang der 1980er-Jahre, gesagt: Wir müssen auffallen, was anderes machen. Begonnen hat das mit einer Feinschmeckerecke, wo ich ein paar Speisen ausprobiert habe – zum Beispiel Kalbsfilet mit Zunge gefüllt, oder Hummer mit Haselnussöl, oder Carpaccio mit Dijonsenfdressing.
Meine Leibspeise ist Ofengemüse …“ Lisl Wagner-Bacher, Kochikone
Sind diese neuen Speisen bei den Gästen gleich gut angekommen?
Wagner-Bacher: Die einen haben sich gefreut, die anderen haben das erst kennengelernt. Einige Gäste sind nicht mehr gekommen, leider, aber es sind viele neue Gäste dazugekommen.
Sie sind eine vielfach ausgezeichnete Köchin, wollten Sie schon immer eine Köchin werden?
Wagner-Bacher: Ich wollte in meiner Kindheit schon immer eine Wirtin werden. Ich habe den Betrieb von meinen Eltern übernommen, bin also quasi im Wirtshaus aufgewachsen. Köchin habe ich nicht gelernt, ich war in der Hotelfachschule in Bad Reichenhall. Das Kochen habe ich mir selbst beigebracht, viele Kochbücher, alte und neue, wurden in den ersten Jahren studiert – und im Zweifelsfall wurde meine Mutti angerufen und gefragt, wie das geht.

Vor einiger Zeit haben Sie die Küche an Ihren Schwiegersohn Thomas Dorfer übergeben. War das einfach für Sie?
Wagner-Bacher: Naja, ich habe das schon mit meinem Kopf ein bisschen regeln müssen. Aber der Schritt war notwendig und Thomas ist ein idealer Nachfolger. Er hat ja schon lange vorher bei mir in der Küche gearbeitet, wo er noch nicht mein Schwiegersohn war, da war er mir schon sympathisch. Und kochen kann er ja ausgezeichnet (erst kürzlich vom A la Carte mit 99 Punkten ausgezeichnet: „Thomas Dorfer begeistert mit frankophil-mediterranem Spirit“ – Anmerkung der Redaktion).
Sind Sie noch oft in der Küche im Landgasthaus Bacher anzutreffen?
Wagner-Bacher: Nein! Gekocht wird nur mehr privat. Außer es ist ein echter Notfall im Landhaus oder auch als Urlaubsvertretung, dann ja. Dann macht es auch Spaß, für ein paar Tage.
Was kocht eine vielfach ausgezeichnete Spitzenköchin privat?
Wagner-Bacher: Daheim gibt es frische und schnelle Küche, das habe ich wahnsinnig gerne. Was Unkompliziertes. Gerne essen wir, mein Mann und ich, zum Beispiel Seezunge mit Salat. Und viel Gemüse! Meine Leibspeise ist Ofengemüse, eine Joghurtsauce dazu oder eine Garnele oder einen Saibling dazu. Wie heißt es so schön: Es muss nicht immer Kaviar sein! Unsere Speisen sind auch immer jahreszeitenabhängig, so freue ich mich schon auf die Steinpilze im August. Ich sage bewusst erst ab August, weil sie da weniger wurmig sind als die, die man schon im Juli bekommt.
Sie sind ja jetzt im (Un-)Ruhestand, haben Sie aktuell Projekte?
Wagner-Bacher: Bei der Übergabe an Thomas war ich oft Nordic Walken. Da habe ich mir gedacht, was kannst jetzt machen – und da bin ich auf die Marmelade gekommen. Ich habe dem (Schokoladen-)Meisinger ein Glas meiner handgemachten Marillenmarmelade gegeben, weil er sie unbedingt haben wollte – und plötzlich meldete sich der Meinl bei mir, sie wollten auch unbedingt meine Marmelade. Der Meisinger hat sie still und heimlich zur einer A-la-Carte-Verkostung gebracht – und die hat dann auch noch gewonnen! Und der damalige Meinl-Geschäftsführer saß in der Jury, so hat das begonnen! Der Käfer in München und das Schwarze Kameel in Wien haben auch unsere Marmelade. Zudem gibt es noch einen kleinen, aber feinen Gourmet-Versand in Deutschland. In der Pandemie-Zeit habe ich zudem auch eine Kooperation mit Billa Plus abgeschlossen. Da gibt es mein Essen in Gläsern abgefüllt, in Kürze steht ein Mediterranes Huhn, sommerlich frisch, auf dem Programm. Aktuell arbeiten wir auch an einer Hühnereinmachsuppe. Natürlich geht das ohne Partner nicht mehr. Die Gläser sind übrigens nicht sterilisiert, sondern pasteurisiert, weil so der Geschmack besser erhalten bleibt. Weiters hab’ ich mittlerweile sechs Kochbücher geschrieben.
Sie waren oft die erste Frau unter Männern, wie zum Beispiel beim Gourmetfestival in St. Moritz.
Wagner-Bacher: Ja, das war ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Für meine Variation des Milchrahmstrudels bekam ich Standing Ovations von Größen wie Paul Bocuse und Roger Vergé. Dann saß ich zwischen diesen französischen Größen, Bocuse wollte sogar mein Rezept haben! Und, darauf bin ich stolz, ich war damals nicht nur die erste Frau, sondern auch der erste österreichische Koch, der nach St. Moritz eingeladen wurde.
Über viele, viele Jahre Spitzenköchin, hat man da auch nicht permanent Stress, damit man immer auf dem hohen Level bleibt?
Wagner-Bacher: Ich hatte keinen Stress, ich hatte höchstens viel zu tun … und immer Spaß!

Wenn man jetzt im Landhaus Bacher essen geht, wie viel von dem Essen ist aus der näheren Umgebung?
Wagner-Bacher: 70 bis 80 Prozent. Aber andererseits: Vieles muss auch von weiter weg kommen, wie zum Beispiel die Bélon-Austern. Viele Wiener sind nur wegen meiner Austern nach Mautern gefahren. Die hohe Qualität war für mich immer ausschlaggebend. Man muss aber auch auf die Nachhaltigkeit schauen. Eier, Mehl, Butter oder Gemüse, das kommt alles aus der Region, ich gehe noch immer jede Woche in Krems auf den Markt und kaufe für das Lokal Gemüse ein.
Wie wichtig ist guter Wein für gutes Essen?
Wagner-Bacher: Ganz wichtig! Jetzt, wo ich mehr Zeit für mich und meinen Mann habe, da trinke ich auch gerne ein gutes Glaserl Wein zum Essen. Einen Weißen Burgunder zum Beispiel.
Was halten Sie von Fastfood?
Wagner-Bacher: Nach einem Urlaub mit meinen Enkerln sind wir zu einem Drive-in gefahren. Die Kinder haben mir erklärt, wie das geht. Aber sorry, dieses Laberl, nein, da will ich gar nicht reinbeißen, das ist nicht meins. Warum man gerade bei den Lebensmitteln so spart, finde ich sehr traurig. Fertigware ist für mich auch ein absolutes Tabu.
Die Gastro jammert, weil sie immer schwerer Personal findet. Wie geht es dem Landhaus Bacher diesbezüglich?
Wagner-Bacher: In der Küche sind wir sehr zufrieden, mit dem Service naja. Das ist auch für uns eine Herausforderung. Ich helfe hier ab und zu aus, mache unter anderem Telefondienst. Nein, die Gastro ist nicht böse, so wie man es immer liest und hört. Wir sind Wirte, die die Gäste bewirten wollen.
Was denken Sie über Work-Life-Balance?
Wagner-Bacher: Ich habe nie auf die Uhr geschaut, die Arbeit musste gemacht werden. Wer was erreichen will, darf nicht auf die Stunden schauen. Die Jugend hat heutzutage zu wenige Ziele, leider.
Wie gehen Sie mit Online-Beurteilungen um?
Wagner-Bacher: Wenn die Kritik berechtigt ist, dann nehmen wir sie ernst und entschuldigen uns dafür. Im Zweifelsfall hat der Kunde recht. Für jemanden dienen, nicht vor jemanden die-nen …
Zur Person
Lisl (Elisabeth) Wagner-Bacher baute mit ihrem Mann Klaus Wagner das Gasthaus ihrer Eltern (ihr Vater war der berühmte „Blinde Wirt von Mautern“) zu einer der ersten Adressen des Landes auf. Die Grande Dame der österreichischen Küche hat viele Auszeichnungen bekommen (u. a. 1988 drei Hauben von Gault & Millau). Am 1. April wird im Landhaus Bacher „40 Jahre Koch des Jahres“ mit einem Gala-Dinner gefeiert (Preis: 550 Euro pro Person).