Kinder der Schwester missbraucht: sechs Jahre Haft

Erstellt am 26. August 2019 | 11:44
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Personalknappheit in der Justiz
Personalknappheit in der Justiz
Foto: APA/Webpic
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2002 war die Nichte des heute 58-jährigen Angeklagten vier Jahre alt, ihr Halbbruder sieben. Am Wochenende kam der Onkel und vollzog mit ihnen „Doktorspiele“. 2018 erstattete der Neffe Anzeige, am Montag, 26. August 2019, wurde der Onkel verurteilt.

Dass ihr Bruder eine Gefahr für ihre Kinder darstellt, war der Mutter der beiden Opfer bewusst gewesen: 1997 war dieser zu 18 Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er den Sohn seiner älteren Schwester massiv sexuell missbraucht hatte. Die jüngere Schwester, die mit ihrem zweiten Mann und den beiden kleinen Kindern im Bezirk Mattersburg lebte, wollte dem Bruder dennoch eine Chance geben.

Eigentlich hätte er mit den Kindern nie alleine sein sollen. Es kam anders: Die Eltern arbeiteten in Wien, die mit der Betreuung der Kinder beauftragten Großeltern sollen teilweise überfordert gewesen sein

Vorbestrafter allein mit Kindern

„Irgendwie war es ihm möglich, zumindest über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren hinweg in unzähligen Angriffen mit den Kindern alleine zu sein“, berichtete Staatsanwältin Petra Bauer. Unter dem Vorwand von „Doktorspielen“ habe der Angeklagte an den Kindern sexuelle Handlungen vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits sechs Vorstrafen wegen diverser Delikte, eine davon wegen der sexuellen Misshandlung seines anderen Neffen.

Weitere Verurteilungen sollten folgen: 2006 wegen der Schändung einer behinderten Frau, 2007 wegen eines Übergriffs auf einen Buben, 2013 wegen der Vergewaltigung seiner Nachbarin.

2013 in Anstalt eingewiesen

Damals lautete das Urteil auf vier Jahre Haft und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, die der Angeklagte seither nicht mehr verlassen hat. Vor dem großen Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richterin Doris Halper-Praunias bekannte sich der vom Leben sichtlich gezeichnete Mann am Montagvormittag schuldig. Er sei, berichtete er, im Alter von sieben Jahren ins Heim gekommen, und dort geblieben, bis er 19 Jahre alt war. Nach acht Jahren Sonderschule hatte er eine Tischlerlehre begonnen, aber nie abgeschlossen. Als Tagelöhner und Gelegenheitsarbeiter fristete er sein Leben. Ein ständiger Begleiter war schon in Jugendjahren der Alkohol.

Eine Palette Bier pro Tag

„Ich will es nicht als Ausrede nehmen, aber bei den meisten Delikten war ich alkoholisiert“, sagte der Angeklagte. Pro Tag habe er „eine Palette Bier oder eineinhalb“ konsumiert, auch zwei Liter Wein täglich sollen bei ihm übliche Mengen gewesen sein.

Die Familie der Schwester habe er zweimal im Monat besucht, berichtete der Angeklagte. Die Übergriffe hätten bei jedem Besuch stattgefunden.Heute belaste ihn das, was er dem Neffen angetan habe, nervlich sehr. „Damals war Ihnen das nicht so wichtig!“, erinnerte die Richterin den Angeklagten. „Kann man so sagen“, gestand dieser ein. Die Übergriffe endeten offensichtlich, als die Kinder ihre Eltern informierten. „Ich bekam dann ein Besuchsverbot“, sagte der Angeklagte. Anzeige wurde damals aber nicht erstattet. Die Staatsanwaltschaft führte auch gegen die Familienmitglieder Ermittlungen, diese Verfahren wurden aber alle eingestellt. Die beiden heute erwachsenen Opfer wurden im Rahmen von kontradiktorischen Befragungen schonend einvernommen. Die Videos dieser Aussagen wurden den Schöffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht.

Gefährlichkeit festgestellt

Der Sachverständige für Psychiatrie, der den Angeklagten begutachtet hat, sprach von einer „hochproblematischen und sehr gefährlichen Gesamtgemengelage“. Ihm gegenüber habe der Angeklagte zugegeben, dass er sofort wieder zu trinken beginnen und wohl auch Straftaten begehen würde, wenn er auf freien Fuß käme, berichtete der Sachverständige.

Bei den sexuellen Übergriffen in den Jahren 2002 und 2003 sei der Mann sehr wohl zurechnungsfähig gewesen. Der Angeklagte habe genau gewusst, dass er Kinder nicht sexuell bedrängen darf.

Opfer bekam 5000 Euro zugesprochen

Der Schöffensenat verurteilte den 58-Jährigen zu sechs Jahren Haft. Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher wurde neuerlich angeordnet. An seinen Neffen, der sich dem Verfahren als Opfer angeschlossen hatte, muss er 5000 Euro bezahlen.

Die Anzahl der Übergriffe lasse sich nicht mehr genau bestimmen, das Gericht sei aber davon ausgegangen, dass es „zahlreiche“ Tathandlungen waren, erläuterte die Richterin.

Der Angeklagte nahm das Urteil an. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.