Unterstützung für Schüler: „Wir brauchen mehr Sozialarbeiter“
Unterstützung für Schüler: „Wir brauchen mehr Sozialarbeiter“. Von Seiten des Landes betreuen acht Sozialarbeiter im Burgenland 26 Schulen, über den Bund gibt es drei Kräfte für den Bezirk Mattersburg. Dennoch eindeutig zu wenig.
Ende 2020 führte das Land Burgenland die Schulsozialarbeit ein. Damals waren fünf Sozialarbeiter unterwegs, mittlerweile wurde das Kontingent auf acht Kräfte aufgestockt. Von Seiten des Bundes gibt es für den Bezirk Mattersburg drei Sozialpädagogin, die in den Schulen vor Ort sind.
Eindeutig noch immer zu wenig – so der Tenor von Pädagogen und Schulleitern, vielmehr sollte es pro Schule einen eigenen Sozialarbeiter gaben.
Man merkt jetzt die Nachwehen von Corona. Die psychische Belastung der Kinder hat stark zugenommen. Uschi Piller, Direktorin Mittelschule Mattersburg
An der Mittelschule Schattendorf werden aktuell 85 Kinder unterrichtet. „Bei uns ist eine Sozialarbeiterin – sie betreut auch andere Schulen – an zwei Tagen ein paar Stunden vor Ort. Sie hat ihren eigenen Raum. Wenn die Schüler ein Anliegen haben, können sie zu ihr kommen. Ich denke jedoch, dass an jedem Standort ein eigener Sozialarbiter, der täglich vor Ort ist, von Nöten wäre“, berichtet Schulleiterin Petra Leitgeb, „wenn Schüler private Sorgen oder soziale Probleme haben und diese mit einer adäquat ausgebildeten Person außerhalb des Unterrichts besprechen können, dann profitiert man natürlich im Unterricht. Die Kinder sind dann frei im Kopf. Und ich kann auch unterstreichen, dass Corona den Kindern stark zugesetzt hat.“
Auch am Mattersburger Polytechnikum hat es eine Sozialarbeiterin gegeben, wobei sie einen Tag pro Woche an der Schule präsent war.
Poly: Keine Sozialarbeiterin mehr
„Das letzte Mal war sie vor Weihnachten bei uns an der Schule, seitdem nicht mehr. Meinen Informationen zufolge soll es eine Nachbesetzung geben. Wir decken das nun mit dem schulinternen Beratungsteam ab. Für unsere Schüler wäre es jedoch sicher von großem Vorteil, wenn wir wieder einen Sozialarbeiter hätten“, berichtet Schulleiter Markus Pöttschacher.
Jene Sozialarbeiterin, die am Poly tätig war, ist nun für die Koordination der burgenländischen Schulsozialarbeiter zuständig und auch in der zweiten Schule, wo sie die Kinder betreute, ist sie nicht mehr vor Ort.
„Sie war im vergangenen Schuljahr bei uns. Heuer war sie ein, zwei Monate da. Dann hat sie Leitung übernommen und ist bei uns ausgeschieden. Nun werden wir von der Sozialarbeiterin der Mattersburger Mittelschule mitbetreut. Uns wurde versprochen, dass wir im kommenden Schuljahr wieder eine Sozialarbeiterin, die regelmäßig vor Ort ist, bekommen“, berichtet Sonja Sieber, Schulleiterin der Allgemeinen Sonderschule in Mattersburg.
Covid: Andere Strukturen in der Sonderschule
Corona war der Grund, warum Schulen zum Teil komplett geschlossen waren. In den Sonderschulen wurde dies von Seiten des Bundes nicht so strikt gehandhabt, Sieber merkt nun auch einen positiven Effekt. Wird vielerorts von Pädagogen von einer Zunahme von psychischer Belastung der Kinder gesprochen, so „muss ich ehrlich sagen, dass ich von den Kolleginnen an meiner Schule noch nichts gehört hätte. Wir hatten so gut wie nie Fernunterricht, es waren fast alle Kinder immer vor Ort, lediglich zu Beginn von Corona waren die Kinder etappenweise vor Ort“, berichtet Sieber.
„Psychagogin“ an der Mattersburger Mittelschule
An der Mittelschule Mattersburg werden mehrere hundert Schüler unterrichtet. „Bei uns gibt es einen männlichen und einen weiblichen Sozialarbeiter vom Land, die jeweils einen halben Tag bei uns sind. Es läuft sehr gut, die Kinder nehmen das sehr gut an, es hat auch genderspezifische Vorteile“, berichtet Schulleiterin Uschi Piller, die auf eine dritte Unterstützug im psychologischen Bereich zurückgreifen kann und zwar in Form einer ‚Psychagogin‘. Bei der Ausbildung zur ‚Psychagogin‘ werden Lehrinhalte von Pädagogik und Psychologie vermittelt. „Wir sind sehr froh, dass sie ihr Wissen bei uns an der Schule einbringt. Sie ist zwar im Stammlehrerteam, unterrichtet aber nicht wirklich. Wenn es Probleme gibt, melden sich die Klassenvorstände bei ihr. Mit den Schülern gibt es dann Einzel- oder Kleingruppengespräche, sie hält zum Beispiel auch Kontakt zu den Eltern, wenn Hilfe benötigt wird und sie arbeitet eng mit den beiden Sozialarbeitern zusammen.“
„Es wäre eine große Entlastung für uns Lehrer“
Dennoch: Es würde im gesamten Burgenland – so Piller – ein Mehr an Kapazitäten in diesem Bereich benötigen.
„Dies wäre eine große Entlastung für uns Lehrer. Wenn das Soziale passt, geht auch das Lernen viel einfacher. Wir müssten uns dann nicht so viel mit sozialen Problemen herumschlagen – nicht, weil wir das nicht wollen, sondern weil wir nicht das spezielle Know How dafür haben. Sozialarbeiter sind speziell dafür ausgebildet und sie haben auch eine andere Rolle als die Lehrer“, so Piller, um auch folgendes festzuhalten: „Man merkt jetzt die Nachwehen von Corona. Die psychische Belastung der Kinder hat stark zugenommen.“
Bereits einige Jahre bevor die Schulsozialarbeiter-Initiative des Landes eingeführt wurde, hatte Günther Kroiss die Zeichen der Zeit erkannt. Er ist Obmann des Vereins 2getthere, der auch das Jugendzentrum in Mattersburg betreibt.
Verein 2getthere Vorreiter bei der Schulsozialarbeit
„Es ist sicherlich schon zehn Jahre her, da wurde von unserem Verein ein Sozialarbeiter im Bezirk Mattersburg in der Mattersburger und Neudörfler Mittelschule installiert. Er war dann in den Pausen unterwegs und hat mit den Jugendlichen Kontakt gehalten“, so Kroiss, der über damalige Vorbehalte zu berichten weiß: „Das Problem damals war, dass an den Schulen manchmal das Gefühl vorherrschte, dass wenn man einen Sozialarbeiter hat auch eine schlechte Schule ist. In der HAK Eisenstadt zum Beispiel hat es Widerstand diesbezüglich gegeben. In Deutschland zum Beispiel wurde ein Schulsozialarbeiter bereits damals als Qualitätsmerkmal für die Schule angesehen.“
Mann müsste die Lehrer auch noch mehr sensibilisieren, dass wenn es Probleme gibt zu schauen, was eigentlich wirklich los ist mit dem Schüler.Günther Kroiss, Obmann Verein 2getthere
Und auch der ehemalige Stadtpfarrer ortet Verbesserungspotential bei den Kapaztitäten: „Ich würde einmal sagen, dass es gut wäre, wenn für jeden Schulort jemand da ist, der einen guten Kontakt mit den Direktionen hält und auch in den Schulen präsent ist. Zumindest jeden zweiten Tag sollte er an der Schule sein. Mann müsste die Lehrer auch noch mehr sensibilisieren, dass wenn es Probleme gibt zu schauen, was eigentlich wirklich los ist mit dem Schüler.“
Personal wurde mittlerweile aufgestockt
Die Politik übt sich zum einem Teil in Forderungen: „Wir brauchen an jedem Schulstandort einen Schulsozialarbeiter, damit durch den regelmäßigen Austausch ein Vertrauen aufgebaut werden kann und Konflikte erst gar nicht entstehen“, so ÖVP-Landtagsabgeordnete Julia Wagentristl.
Über den Bund wurde im September 2021 im Bezirk Mattersburg eine Sozialarbeiterin installiert – für die Mittelschulen in Schattendorf und Neudörfl. Angestellt ist sie beim Österreichischen Zentrum für psychologische Gesundheitsförderung im Schulbereich (ÖZPGS), einem Verein des Bildungsministeriums, der eng mit der Abteilung Schulpsychologie vernetzt ist. Laut Homepage des ÖZPGS sind zwei weitere Kräfte für den Bezirk Mattersburg zuständig. Von Seiten des Landes Burgenland wurden im Dezember 2020 fünf Sozialarbeiter für 21 Schulen installiert. Mit September 2022 wurde das Team erweitert, nun ist ein achtköpfiges Team in 26 Schulen unterwegs. Der Einsatz erfolgt auf Basis eines Kooperationsvertrags zwischen dem Land und der Bildungsdirektion und die Initiative der Schulsozialarbeiter wurde auch als Erfolg des Landes medial „verkauft“.
Die SPÖ verweist auf den Bund
Auf BVZ-Anfrage, ob eine Aufstockung des Personals geplant ist, werden die Zuständigkeiten jedoch in Richtung Bund „verschoben“: „Der schulpsychologische Dienst wird über Bundesplanstellen den Schulen zur Förderung von Schülerinnen und Schülern in schwierigen Situationen bzw. von sozial benachteiligten Kindern zur Verfügung gestellt. Leider stagnierte die Anzahl der Planstellen in den vergangenen Jahren“, erläutert SPÖ-Soziallandesrat Leonhard Schneemann, um weiter auszuführen: „Aus diesem Grund wurde Ende 2020 die Schulsozialarbeit an den burgenländischen Schulen implementiert. Nichtsdestotrotz sind ausreichend Planstellen vordergründig Aufgabe des Bundes. Denn Bildung ist Aufgabe des Bundes. Hier ist klar die ÖVP-Grüne Bundesregierung in der Verantwortung. Wir werden aber alles daran setzen im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen eine Aufwertung der Schulsozialarbeit zu erreichen.“