„Abstrakt ist auch nicht schlecht“

Ungute Lebensabschnitte können manchmal Türen öffnen zu etwas Neuem, Erfüllenden. So war es jedenfalls bei Sigrid Schmidt. Vor 15 Jahren entdeckte sie im Zuge einer Maltherapie ihre künstlerische, kreative Ader. „Man hat mir dort gesagt: ‚Malen Sie einfach, was Ihnen gerade einfällt‘. Das habe ich gemacht, und so bin ich eigentlich zum Malen gekommen“, erzählt Sigrid Schmidt. So sehr ihr auch die künstlerische Betätigung zunächst gefiel, bedurfte es trotzdem einen zweiten Anlauf, um die Liebe dazu endgültig zu entfachen. Eines Tages habe sie das schon verstaute Malzeug hervorgeholt und es wieder probiert. Das war vor vier Jahren. Seitdem malt die ehemalige Tagesmutter regelmäßig. „Die Bilder gefielen mir so gut, dass ich dabei geblieben bin.“ Mittlerweile zählt Sigrid Schmidt über zwanzig Kunstwerke, die sie alle im Zubau ihres Hauses an den Wänden aufgehängt hat.
Ich bevorzuge die kräftigen, satten Töne gegenüber den blassen Malerin Sigrid Schmidt
Ihr Malstil changiert dabei immer wieder zwischen abstrakt und realistisch. Aktuell ist Schmidt wieder in einer abstrakten Phase angelangt. „Eine Zeitlang ist es mir so vorgekommen, dass mir das Realistische mehr liegt. Jetzt denke ich mir wieder: Abstrakt ist auch nicht schlecht! Es wechselt.“ Kontinuität gibt es hingegen bei der Auswahl ihrer Farben. „Ich bevorzuge die kräftigen, satten Töne gegenüber den blassen. Ich male sehr viel mit flieder, lila oder rot, aber auch Grün- und Blautöne sind mit dabei. “

Als Maltechnik kommt bei Sigrid Schmidt oft die sogenannte Spachtelmethode zum Einsatz, die sie sich selbst mit Hilfe von Anleitungen auf der Videoplattform youtube beigebracht hat. „Die ersten Spachtelbilder sind mir aber gar nicht gelungen, weil ich nicht richtig gewusst habe, wie halte ich die Spachtel und wie dreh ich sie. Jetzt geht es schon super.“ Trotzdem ist sie auch durchaus selbstkritisch. Es gäbe ein Bild an ihrer Wand, bei dem sie sich jedes Mal denkt, wenn sie daran vorbeigeht: „das ist unmöglich, das werde ich übermalen. Bis jetzt weiß ich aber noch nicht, wie ich es angehen soll.“ Als letzten Ausweg, wenn gar nichts mehr zu retten ist, muss auch manchmal das Messer herhalten: „Dann wird der Rahmen rausgeschnitten und das Bild verheizt.“ Zum Glück kommt das aber nur selten vor, denn immerhin steckt in einem Bild auch Zeit, die investiert wird. „Ein abstraktes Bild geht ruck-zuck. Eine Waldlandschaft oder ein Motiv mit Meer zum Beispiel dauert dagegen schon mehrere Stunden.“
„Omi, mach mir rot, dunkelblau und gold“
Viele Künstler bevorzugen im kreativem Schaffesprozess sicherlich strikte Ruhe. Sigrid Schmidt ist hier nicht so streng. Hin und wieder ist ihre dreieinhalb-jährige Enkelin dabei. „Sie zeichnet dann auf ihrem Block und ich male neben ihr auf meiner Leinwand. Sie will dann auch immer wissen, was das für Pinsel sind oder was ich gerade mache, und dann erkläre ich ihr das nebenbei.“ Manchmal komme von der Enkelin auch ein Malwunsch. „Einmal hat sie gesagt, Omi, ‚mach mir rot, dunkelblau und gold‘.“ Einen solchen Wunsch kann man natürlich nicht ablehnen. Für die Enkelin hat Sigrid Schmidt auch viel Häkelsachen gemacht: Mäuse, Dinosaurier, eine ganze Kiste voll. „Jetzt hat sie einen Kaufmannsladen bekommen. Dafür habe ich ihr sämtliches Gemüse, Obst, Eier und alles Mögliches gehäkelt.“ Eine zweite Kiste könnte vielleicht schon bald hinzukommen, denn vor ein paar Tagen ist Schmidt zum zweiten Mal Großmutter geworden.
„Abstrakt ist auch nicht schlecht“. Neudörfl ist für vieles bekannt, so unter anderem auch für eine lebendige Künstler- und Hobbykünstlerszene. Insbesondere die Malerei weist einige Vertreter und Vertreterinnen auf, die gelegentlich auch schon in der BVZ vorgestellt wurden. Eine weitere davon ist Sigrid Schmidt.
Mit den Häkelwerken war Schmidt im vergangenen Jahr auch bei der Kreativausstellung am Dorffest vertreten, neben Josef Sahan, einem ihrer besten Freunde, der auch Hobbymaler ist. Bezüglich der Malerei gibt es auch einen regen Austausch zwischen den beiden. „Er zeigt mir seine Bilder, ich schicke ihm meine und dann geben wir uns gegenseitig Tipps. Er sagt dann, ‚dreh das Bild einmal um, häng' es andersrum auf'. Dann schaut es tatsächlich gleich ganz anders aus.“
Neben Kurt Sahan, der ohne Zweifel ein begnadeter Maler ist, holt sich Schmidt auch Anregungen bei den ganz großen Malern der Kunstgeschichte. „Ins Kunsthistorische Museum darf ich gar nicht reingehen“, sagt Schmidt, nicht etwa weil sie Hausverbot hat, „sondern weil ich dann eine Woche brauchen würde, bis ich wieder rauskomme.“ So viel gäbe es dort zu sehen, was sie interessiert.