Mindestlohn für Gemeindebedienstete kommt

Erstellt am 04. April 2021 | 04:38
Lesezeit: 5 Min
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr
SPÖ, FPÖ und Grüne beschließen in Neudörfl den Mindestlohn von 1.700 Euro für Gemeindebedienstete. ÖVP und Liste Pro Neudörfl waren dagegen.
Werbung

Nachdem im vergangenen Jahr bereits der Mindestlohn von 1.700 Euro für Landesbedienstete und Angestellte in Unternehmen, an denen das Land einen Mehrheitsanteil besitzt, gesetzlich verankert wurde, wurde im Dezember auch für Gemeinden die rechtliche Grundlage durch die Novelle des Gemeindebedienstetengesetzes geschaffen, den Mindestlohn umzusetzen.

In der März-Gemeinderatssitzung hat Neudörfl das neue Dienst- und Besoldungsrecht mit einer Mehrheit aus SPÖ, FPÖ und Grünen beschlossen. Bürgermeister Dieter Posch (SPÖ) sei einer der ersten gewesen, der, als der Mindestlohn für Landesbedienstete und Angestellte in landesnahen Betrieben zur Diskussion stand, bei Landeshauptman Hans Peter Doskozil angefragt habe, ob auch Gemeinden einen ähnlichen Status wie landesnahe Betriebe erhalten würden. Dementsprechend gilt Posch auch als ein starker Befürworter des Mindestlohns für Gemeindebedienstete. „Zehn Euro netto pro Stunde muss einfach jede Arbeit wert sein. Das ist ein Zeichen der Wertschätzung.“

ÖVP und Liste Pro Neudörfl stimmten gegen die Umsetzung des Hauptstückes IVa im Gemeindebedienstetengesetz. Das schlagende Argument dagegen sind die damit einhergehenden zu erwartenden höheren Kosten, die der Gemeinde dadurch entstehen würden. „Neudörfl hat im abgelaufenen Jahr ein Minus in Millionenhöhe verzeichnet“, sagt ÖVP-Ortsvorsitzender Dominik Strümpf. „Viele Neudörfler sind von der Corona-Pandemie durch Jobverlust, Kurzarbeit und vieles mehr betroffen. Gerade in dieser Situation den Lohn der eigenen Bediensteten um mehrere Hundertausend zu erhöhen, empfinden wir als unverantwortlich und unseren Einwohnern gegenüber als ungerecht.“ Die Frage sei auch, woher man das Geld nehmen wolle. „Im Burgenland werden derzeit Steuern erhöht, um den Mindestlohn zu finanzieren. Das droht jetzt auch Neudörfl“, so Strümpf.

„Zehn Euro Netto pro Stunde muss einfach jede Arbeit wert sein. Das ist ein Zeichen der Wertschätzung“, meint Neudörfls Bürgermeister Dieter Posch.

Auch Andreas Schramm von der Liste Pro Neudörfl sieht als ein Argument gegen den Mindestlohn die aktuelle finanzielle Belastung in der Gemeinde. „In einer Zeit, in der das Geld aufgrund der Covid-Krise sowieso knapp ist, sollte das Budget nicht noch einmal um bis zu 230.000 Euro zusätzlich belastet werden.“

Bürgermeister Posch lässt das Budgetargument allerdings nicht gelten: „Wir stimmen gemeinsam dafür, dass wir in unsere Infrastruktur investieren, dass wir Straßen bauen und Kanäle sanieren. Wenn wir ein neues Auto kaufen, achten wir auch auf Qualität und zahlen dafür gerne mehr. Aber bei den eigenen Mitarbeitern sollen wir sparen? Das sehe ich nicht ein.“

Außerdem ergebe sich die von Strümpf und Schramm kolportierte Summe nur für den Fall, dass alle Gemeindebediensteten in das neue Besoldungssystem optieren. „Das wird aber sicher nicht der Fall sein“, so Posch. Jeder und jede kann selbst entscheiden, ob er oder sie wechseln möchte oder im alten Besoldungssystem bleiben will. „Wir haben das natürlich durchgerechnet. Wenn alle unserer 64 Gemeindebediensteten in das neue System wechselten, ergäbe das einen Mehraufwand von 8,3 Prozent bei den Lohn- und Gehaltskosten.“ Das neue Besoldungssystem bringe es weiters mit sich, dass vor allem diejenigen profitieren würden, die neu eine Arbeitsstelle in der Gemeinde antreten – diese kommen auch automatisch in das neue Schema – oder erst wenige Arbeitsjahre hinter sich haben, also hauptsächlich jüngere Menschen. „Die Gehaltskurve verläuft aber in weiterer Folge dann flacher“, erklärt Posch. „Somit wird das Einkommen über das gesamte Berufsleben gerechnet nicht viel höher ausfallen. Aber die Jungen, die in ihre erste eigene Wohnung ziehen wollen oder sich ein Auto kaufen müssen, bekommen dadurch sofort ein vernünftiges Gehalt.“ Mittlere und höhere Gehaltsstufen, die theoretisch ebenfalls ins neue System umsteigen könnten, würden kaum bis gar nicht profitieren. Die flachere Gehaltskurve sei auch ein Vorteil für zukünftige Generationen, sagt Posch. „Meine Nachfolger werden dann nicht mehr mit ständigen Steigerungen bei den Gehaltskosten zu tun haben. Die Gehälter werden im Verhältnis zu heute weniger das Budget belasten.“

Andreas Schramm sieht darin die Gefahr, dass letztendlich doch auf Kosten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gespart wird. „Die Lebensverdienstsumme von jemanden, der wenig verdient und sich für das neue System entscheidet, ist wahrscheinlich geringer als wenn man im alten Schema bleibt.“ Außerdem könne es bedeuten, dass aufgrund der flacheren Gehaltskurve nach zwanzig Jahren angelerntes und qualifiziertes Personal ausscheidet, weil zum Beispiel in Niederösterreich mehr verdient werden könne.

Grünen-Gemeinderätin Sabine Schügerl hat ebenfalls für das neue Besoldungsrecht gestimmt. Sie ist selbst bei der Gemeinde angestellt. Ob sie für das neue System optieren wird, weiß sie noch nicht. Sie erachte es aber als sinnvoll, jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin die Chance zu geben, umzusteigen. „Ob man in letzter Konsequenz davon Gebrauch macht und ob es sich individuell rechnet, muss jede und jeder für sich selbst abwägen.“ FPÖ-Chef Robert Peterlik war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Werbung