Das Verschwinden der Romasiedlungen im Burgenland

In einem gemeinsamen Buch dokumentieren die burgenländischen Historiker Gerhard Baumgartner und Herbert Brettl in akribischer Art und Weise die Geschichte der burgenländischen Romasiedlungen und ihr plötzliches Verschwinden. „Die Roma waren nach dem Krieg einfach weg. So wird es immer wieder beschrieben“, erklärt Herbert Brettl bei der Buchpräsentation in Podersdorf den Titel des 414 Seiten starken Werkes , der lautet: „Einfach weg! – Verschwundene Romasiedlungen im Burgenland“.

Baumgartner und Brettl behandeln in ihrem Buch ein weitgehend ausgeblendetes Kapitel in der burgenländischen Geschichte. Bis zur Zerstörung durch die Nationalsozialisten bestanden auf dem Gebiet des Burgenlandes über 120 Romasiedlungen, deren historische Wurzeln in vielen Fällen bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Nur einige wenige dieser Siedlungen bestehen heute noch.
Die Idee zu dieser gemeinsamen Aufarbeitung der Geschichte der Romasiedlungen entstand aufgrund einer vorhandenen Fotosammlung, die als Basis für die weitere Forschungsarbeit der beiden Historiker diente. Zwei Jahre lang setzten sich Baumgartner und Brettl intensiv mit dem Thema auseinander, durchforsteten sowohl Gemeindearchive als auch das Landesarchiv und suchten die Gespräche mit Ortschronisten.
Einen elementaren Teil des Buches machen historische Fotos von Romasiedlungen und ihren Bewohnern aus. „Die zahlreich erhaltenen Bilder der Polizeifotografen prägten das Roma-Bild in der Öffentlichkeit. Wir haben aber in Familienarchiven viele neue Fotos gefunden, die ein facettenreiches Bild – auch abseits jeder Zigeunerromantik – zeigen“, so Brettl.
Neben einem allgemeinen historischen Teil über die burgenländischen Roma, verweigerte Entschädigungen und das Lager Lackenbach im Zweiten Weltkrieg bildet der Kern des Buches eine genaue Übersicht der verschwundenen Siedlungen, die oftmals abseits der eigentlichen Dörfer lagen. 114 Orte – von Althodis bis Zuberbach – haben Gerhard Baumgartner und Herbert Brettl unter die Lupe genommen. Der Süd- und der Nordburgenländer ergänzten sich dabei in ihrer Arbeit perfekt. „Ich habe im Norden begonnen, Gerhard im Süden und in Oberpullendorf haben wir uns getroffen“, berichtet Herbert Brettl mit einem Schmunzeln über die gemeinsame Forschungsarbeit.
114 Romasiedlungen haben sie dabei erforscht: Baumgartner und Brettl berichten jeweils über die erste Ansiedelung, die Zwischenkriegszeit, den Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit und machen in ihrem Buch nicht nur das Verschwinden sämtlicher Siedlungen deutlich, sondern das Verschwinden einer gesamten Volksgruppe. 90 Prozent der burgenländischen Romabevölkerung fielen dem Rassenwahn und der Verfolgungspolitik der Nationalsozialisten zum Opfer.
„Wir wollten den Opfern auch Namen geben“, betonte Herbert Brettl, und so sind im Buch auch kleine Lebensgeschichten zu lesen, wie etwa jene des Podersdorfer Pferdehändlers Vinzenz „Dolla“ Stojka, der immer am Neusiedler Monatsmarkt anzutreffen war und 1940 im Konzentrationslager Mauthausen starb. Oder jene des Gattendorfers Johann Niklos, der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in den Ort zurückkehrte und zahlreiche Gedichte verfasste, die gar von zeitgenössischen Komponisten wie Gottfried von Einem oder Jenö Tákacs vertont wurden.
Aus Oberwart stammt übrigens die älteste Urkunde über die Ansiedelung von Roma in Österreich. Bereits im Jahr 1674 stellte Graf Batthyány dem Woiwoden Thomas Sarközy einen Schutzbrief aus, in dem er den Roma die Ansiedelung auf seinen Ländereien gestattete.
Die nächsten Buchpräsentationen sind am 15. Oktober in der KUGA in Großwarasdorf, am 23. Oktober in der Bauernmühle in Mattersburg, am 6. November im Kulturzentrum Güssing und am 17. November im OHO Oberwart geplant.