Windrad-Brand: Techniker bekennt sich nicht schuldig. Lichterloh hatte am 19. Dezember 2017 die auf 100 Metern Höhe befindliche Gondel einer Windkraftanlage der Energie Burgenland in Gols gebrannt. Zuvor hatte ein Techniker in einem Schaltschrank hantiert. Am 8. Jänner 2019 musste sich nun dieser 41-jährige Techniker wegen zweier strafrechtlicher Vorwürfe vor Gericht verantworten.

Von Elisabeth Kirchmeir. Erstellt am 08. Jänner 2019 (12:31)
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Windrad-Brand Gols
FF Gols

Staatsanwältin Petra Bauer hielt dem Angeklagten vor, er habe entgegen den Warn- und Sicherheitshinweisen gehandelt und durch das Hineingreifen in einen Frequenzumrichter einen Lichtbogen und in weiterer Folge eine Feuersbrunst ausgelöst. Außerdem soll der Angeklagte für die schweren Verbrennungen seines Kollegen verantwortlich sein.

Trotz ihrer schweren Verletzungen war den beiden Technikern am 19. Dezember 2017 der Abstieg von der brennenden Windradgondel bis zum Boden noch gelungen.

Vor Richterin Daniela Berger bekannte sich der angeklagte Elektroinstallateur nicht schuldig. Er hatte in seiner Funktion als Servicetechniker einer Firma mit Sitz im Bezirk Neusiedl am 19. Dezember 2017, einem nach seinen Angaben stürmischen und kalten Tag, mit seinem Kollegen zuerst in der Windkraftanlage ein Schaltelement getauscht. Während der Arbeiten erfuhren die Servicetechniker, dass einem Kollegen am Tag davor in derselben Windkraftanlage ein Missgeschick passiert war: Eine Sicherung war in einen unter Spannung stehenden Schaltkasten gefallen. Diese Sicherung sollte nunmehr herausgeholt werden.

Stromabschaltung nicht möglich

Just an diesem Tag war jener Mitarbeiter, der laut dem Angeklagten als einziger im Betrieb die Befugnis hatte, im Trafohaus am Fuße der Windkraftanlage den Strom abzustellen, nicht anwesend.

„Es hieß, mit Elektrikerhandschuhen kann man da reingreifen und die Sicherung herausholen“, erinnerte sich der angeklagte Techniker.

Wolfgang Brandl, Sachverständiger für elektrische Anlagen, fragte den Angeklagten mehrfach, ob er speziell für die Wartung von elektrischen Anlagen in Windkraftanlagen geschult worden sei. Er habe, so der Angeklagte, seit Abschluss seiner Lehre „niemals irgendeine Elektroschulung bekommen“. An der Windkraftanlage sei er nur in die mechanische Wartung und die Verwendung des Lastenkrans eingeschult worden. Rund einen Monat vor dem Brand sei das Abseilen eines verunfallten Kollegen geübt worden.

Nicht ausreichend geschult?

„Als Elektrofachkraft brauchen Sie laufende Schulungen, weil das wirklich kritische Arbeiten sind“, erklärte der Sachverständige.

Anweisungen, wie man vorgehen sollte, wenn ein Gegenstand in einen Schaltkasten fällt, habe er in der Firma nie erhalten. „Wir haben öfter gesagt, dass wir Schulungen für das Arbeiten oben in der Windkraftanlage brauchen. Das haben alle Mitarbeiter gesagt“, berichtete der Angeklagte.

Ihm sei klar gewesen, dass der Schaltschrank unter Spannung stand, gab der Angeklagte vor Gericht an. Sein 22-jähriger Kollege habe ihm am 19. Dezember 2017 geholfen, die engen Elektrikerhandschuhe anzuziehen.

„Hatten Sie Angst?“, fragte die Richterin.

„Nein, weil es grundsätzlich möglich ist, das mit dem Elektrikerhandschuh zu machen“, antwortete der Angeklagte.

An diesem Tag kurz vor Weihnachten habe er einfach „den Auftrag erledigen wollen, damit uns der Chef nicht rausschmeißt. Wir waren sicher, dass da nichts passieren kann.“

Kurzschluss, Lichtbogen und Brand

Eine fatale Entscheidung: Noch bevor er die heruntergefallene Sicherung berühren konnte, entstand ausgehend von einer Stromschiene, an der 690 Volt anlagen, ein Kurzschluss und ein Lichtbogen.

„Jeder Kurzschluss ist bei einer derartigen Windkraftanlage eine Katastrophe“, erklärte der Sachverständige.

Das „Herausmanövrieren“ der herabgefallenen Sicherung sei „keine einfache Aufgabe“ gewesen, es habe sich um eine „einzige Stresssituation“ gehandelt.

Aufgrund des Lichtbogens kam es zu einer enormen Hitzeentwicklung und zu einem Flammenbrand, der auf die gesamte Windradgondel übergriff und diese zerstörte.

Beide Männer erlitten schwere Verletzungen im Gesicht und an den Armen.

Der angeklagte Techniker lag zweieinhalb Wochen im künstlichen Tiefschlaf, bekam einen Luftröhrenschnitt und musste bis vor kurzem täglich 24 Stunden lang Kompressionskleidung tragen, um die Haut bei der Heilung zu unterstützen. „Ich weiß nicht, wann ich wieder arbeiten kann“, sagte er vor Gericht.

Sein junger Kollege, ein an der HTL ausgebildeter Mechatroniker, kann sich an die Katastrophe kaum mehr erinnern. Bedenken habe er schon gehabt. Deshalb habe wohl auch nicht er die Sicherheitshandschuhe angezogen. Was dann passierte, könne er nicht mehr sagen. „Geblitzt hat es“, wusste er noch zu berichten.

Bis Mai 2018 war er im Krankenstand. Von seinem Kollegen wolle er kein Schmerzensgeld fordern.

Der Prozess wurde nach der Einvernahme des 22-Jährigen auf Mitte März vertagt. Weitere Zeugen und jener Sachverständige, der ein Brandgutachten erstellt hat, werden vorgeladen.

Staatsanwältin Petra Bauer erwägt, gegen die Firma, bei der die beiden Männer beschäftigt gewesen waren, ein Verfahren einzuleiten, weil sich im Laufe der Verhandlung herauskristallisiert habe, dass offenbar die Durchführung von Schulungen unterlassen worden sei.

„Ich glaube auch, dass hier der Falsche auf der Anklagebank sitzt“, sagte der Verteidiger des Angeklagten, Rudolf Tobler.