Neusiedler See: Immer weniger Eistage

Eislaufen fällt unter jene sportliche Aktivitäten, die auch im Lockdown noch erlaubt sind. Lediglich das Eis am größten Eislaufplatz Europas, wie es in Werbesujets oft so schön heißt, fehlt. Es ist schlicht zu warm.
Partiell gab es zwar in den vergangenen Wochen immer wieder größere Eisflächen am Neusiedler See, tragfähig waren sie allerdings gerade einmal für Enten und Schwäne. An Eislaufen oder Spazierengehen am gefrorenen See war nicht zu denken. Die Tage, an denen dies möglich ist, scheinen von Jahr zu Jahr weniger zu werden. Oder trügt der Schein? Die BVZ hat im zuständigen Referat der Burgenländischen Landesregierung nachgefragt.
„Weniger Eis ist ein Indiz für wärmere Winter und bringt somit wärmere Wassertemperaturen mit sich. Das Jahresmittel der Wassertemperatur des Sees erhöht sich sukzessive.“ Karl Maracek
Eine grafische Aufbereitung, die die Dauer der Eisbedeckung des Neusiedler Sees seit 1965 darstellt, zeigt, dass es seit Aufzeichnungsbeginn sehr große Schwankungen gibt, die schon in den 70er Jahren zwischen zwei Wochen und drei Monaten lagen.

Im harten Winter 1995/96 war der Neusiedler See sogar über vier Monate gefroren, zwei Jahre später nur etwas mehr als 40 Tage. Ein geringer Wert für die 90er Jahre, der im vergangenen Jahrzehnt aber nur mehr drei Mal erreicht worden ist. Auch wenn Statistiker noch nicht von einem signifikanten Trend sprechen, untermauern diese Zahlen zumindest unser Gefühl: In den letzten Jahren gab es weniger Eis am heimischen Steppensee.
„Die Eisdecken gehen weltweit zurück, auch am Neusiedler See und auch die Dicke des Eises nimmt ab“, sagt Thomas Zechmeister von der Biologischen Station in Illmitz. „Die durchschnittlichen Lufttemperaturen steigen weltweit an. In unserer Region ist die Temperatur im Jahresmittel bereits um 1,5 bis 2 Grad höher“, begründet Zechmeister. Auch die mittlere Wassertemperatur des Neusiedler Sees ist in den vergangenen 35 Jahren um 1,9 Grad Celsius angestiegen. „Als Hydrologe kann ich sagen, dass weniger Eis tatsächlich ein Indiz für wärmere Winter ist und somit wärmere Wassertemperaturen mit sich bringt. Und das passt in unsere Auswertungen gut herein, dass sich das Jahresmittel der Wassertemperatur des Sees sukzessive erhöht“, bestätigt auch Karl Maracek, Leiter des Referats Hydrografie im Amt der Burgenländischen Landesregierung.
Auswirkungen auf Flora und Fauna?
Die Eisbildung am Neusiedler See hängt aber nicht nur von Luft- und Wassertemperaturen ab, sondern auch Wind und Wellen sind wichtige Faktoren. „Bei einem hohen Wellengang bildet sich kein Eis, in den ruhigeren Kanälen friert das Wasser hingegen öfter“, klärt Zechmeister auf.

Ob weniger Eis nun auch Auswirkungen auf die Flora und Fauna des Sees hat? Kaum, glaubt der ausgebildete Biochemiker. Die Fischwelt des Neusiedler Sees sei ein Abbild der Donaufische und die Donau friere selten zu. Es sei jedenfalls nicht messbar, ob Arten einen Vorteil oder einen Nachteil daraus ziehen würden. Außerdem würden die Fische auch mit den natürlichen Temperaturschwankungen im Sommer gut zurechtkommen. Auch auf die Wasserqualität hat die geringere Eisbildung laut Zechmeister keinen Einfluss. Lediglich das Planktonwachstum starte früher, gleiche sich aber mengenmäßig im Laufe der Saison auf durchschnittliches Niveau an.
Auswirkungen gebe es allerdings auf den Schilfgürtel, denn die teilweise am Neusiedler See enormen Eisschübe würden wie natürliche Mähmaschinen wirken. „Eisschübe bilden sich durch die Ausdehnung von gefrorenem Wasser um zehn Prozent. Die Eisschübe knicken das Schilf mit natürlichen Kräften um. Ist das nicht der Fall, kann sich das Schilf uneingeschränkt in Richtung offener Wasserfläche ausbreiten.“