Auf Schusters Rappen: Schuhmacher in 3. Generation

Schon beim Betreten des Geschäfts, das mitten in einer Häuserzeile in der Florianigasse in Neudorf steht, riecht es angenehm nach Leder. Die familiäre Atmosphäre ist sofort spürbar. Der Betrieb besteht aus dem Verkaufsraum und einer dahinterliegenden Werkstatt. Das Wohnhaus der Schusterfamilie Loncsar liegt praktischerweise direkt neben dem Betrieb.
„Wir sind seit 1927 durchgehend am selben Standort tätig“, erzählt Helmut Loncsar, „was bei uns im Bezirk schon eine Seltenheit ist.“
Schuhe „made in Neudorf“
Sein Großvater Johann Loncsar war es, der den Betrieb nach seiner Meisterprüfung zum Schuhmacher als Schuhmacherwerkstatt mit eigener Fertigung eröffnete. Mittlerweile betreibt die burgenland-kroatische Familie das Gewerbe in der dritten Generation. Am Anfang war noch alles „Made in Neudorf“.
Hochwertiges Leder wurde sorgfältig bei den Lieferanten ausgewählt. Zuschnitt, Fertigung und Verkauf fanden am selben Standort statt.

„Vieles war damals Maßarbeit auf Bestellung“, weiß Gattin Anna Maria ein wenig aus der Firmengeschichte zu berichten, „von den Winterstiefeln angefangen bis hin zu eleganten Ballschuhen.“ Auch Sandalen und Hausschuhe aus Leder wurden handgefertigt. Plastik war verpönt. Familie Loncsar führte ein Vollsortiment aus eigener Produktion und bestimmte damit auch das Aussehen der Schuhe.
Nach mehr als 40 Jahren übergab Johann Loncsar 1967 den Betrieb an seinen Sohn Eduard. Dessen Sohn Helmut war von Kindesbeinen an ein aufmerksamer Zuseher und ein eifriger Helfer in der Werkstatt.
„Während meiner Karenzzeit sah ich meinem Schwiegervater beim Arbeiten in der Werkstatt zu. Einen besseren Lehrmeister konnte ich mir nicht vorstellen.“Anna Maria Loncsar
„Mich hat schon als Kind fasziniert, wie aus einem Stück Leder fertige Schuhe wurden. Ich konnte mir von klein auf keinen anderen Beruf vorstellen. Für mich war die Übernahme des Geschäftes meines Vaters selbstverständlich“, berichtet der 55-Jährige aus seinem Lebenslauf. 1997 legte er die Meisterprüfung ab. Im Jahr 2000 erfolgte die Betriebsübergabe vom Vater an den Sohn. Schwerpunkt sind seitdem Reparaturen aller Schuhmarken und der Verkauf hochwertiger Markenschuhe. Die Eigenerzeugung wurde eingestellt, da große Handelsketten den Markt heute dominieren.
„Als qualitativ hochwertiger Reparaturbetrieb haben wir uns aber bestens positioniert“, erklärt Gattin Anna Maria die aktuelle Situation. Sie ist seit 1994 mit Helmut Loncsar verheiratet und die einzige Schuhmacherin im Bezirk Neusiedl am See.
„Während meiner Karenzzeit sah ich meinem Schwiegervater beim Arbeiten in der Werkstatt zu“, erinnert sie sich zurück: „Einen besseren Lehrmeister konnte ich mir nicht vorstellen.“ Sie absolvierte alle vorgeschriebenen Prüfungen und ist im Betrieb ihres Mannes angestellt. Weitere Mitarbeiter gibt es nicht.
Sogar die Schuhgeschäfte des Outlet Centers in Parndorf schätzen immer mehr die hochwertige Qualität des Betriebes. Anstatt Schuhe zur Reparatur hunderte Kilometer zu transportieren, bevorzugen sie den Schuhmachermeister vor Ort.
Vom Himalaya bis zu den Seefestspielen
Ein Foto im Geschäft beweist eindrucksvoll, dass Kunden das Handwerk der Loncsars schätzen. Eine Kundin bedankte sich bei dem Ehepaar mit einem Foto vom Himalaya-Gebirge. Dorthin wanderte sie nämlich mit im Betrieb reparierten Bergschuhen. Das Schusterehepaar hatte gute Arbeit geleistet, sowohl Schuhe als auch Bergsteigerin hatten die Tour gut überstanden.
„Eine Saison lang haben wir für die Mörbischen Seefestspiele die Stiefel repariert“, erinnert sich Schuhmachermeister Helmut Loncsar zurück, „da waren Schnelligkeit und Präzision gefragt.“ Nicht nur Mörbischer wissen über die Qualität Bescheid, das Einzugsgebiet erstreckt sich weit über den Bezirk Neusiedl am See hinaus, bis nach Fischamend und bis nach Donnerskirchen, was den Bekanntheitsgrad eindrucksvoll widerspiegelt.
Ob die 22-jährige Tochter die Firma einmal weiterführen wird, ist noch ungewiss. „Sie studiert derzeit Jus und ist auf Auslandssemester in Schottland“, erzählt ihre Mutter.
Noch bleibt aber genug Zeit, um einen Nachfolger für den Betrieb zu finden. Es wäre schade, wenn der letzte Schuhmacher des Bezirkes einmal seine Werkstatt für immer schließen müsste.