Schlepperei statt Rotlicht-Transport. Mehr als 60 Flüchtlinge in Ungarn von der serbischen bis zur österreichischen Grenze gebracht. Holländer verurteilt.

Von Elisabeth Kirchmeir. Erstellt am 26. Dezember 2021 (06:03)
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Richterspruch. 20 beziehungsweise 30 Monate Haft für ein holländisches Brüderpaar.
BVZ

Am 30. September hatten Polizeibeamte bei Nickelsdorf einen jener Kastenwägen aufgehalten, mit denen Schlepper häufig Flüchtlingstransporte durchführen. Im Laderaum fanden die Beamten Gegenstände, die auf kürzlich transportierte Menschen hinwiesen. Der Lenker und sein Beifahrer, in den Niederlanden lebende Stiefbrüder im Alter von 24 und 18 Jahren, wurden verhaftet. Vorige Woche standen sie wegen des Vorwurfs der Schlepperei im Landesgericht Eisenstadt vor einem Schöffensenat.

Der ältere Bruder berichtete, er sei in Holland engagiert worden, um in Kroatien Prostituierte zu Kunden zu führen. Er wurde beauftragt, in Brüssel einen Kastenwagen anzumieten. Weil ursprünglich die Rede von zwei Transportfahrzeugen gewesen war, habe er seinen jüngeren Stiefbruder mitgenommen. Als sie am 27. September auf der Fahrt nach Kroatien waren, seien sie von den Auftraggebern instruiert worden, nach Ungarn zu fahren. Da habe er erkannt, dass es um Schlepperei ging, sagte der 24-Jährige.

„Warum mieteten Sie einen Kastenwagen an, der hinten keine Sitzbänke hat?“, wunderte sich Richterin Gabriele Nemeskeri über die Behauptung, man sei zunächst für Taxifahrten im Rotlichtmilieu engagiert worden. Darüber habe er nicht nachgedacht, sagte der ältere Angeklagte, der wie sein Stiefbruder angegeben hatte, in seiner Heimat als selbstständiger Facharbeiter gut verdient zu haben.

Am 27. September wurden die Stiefbrüder über WhatsApp zu einem Wald nahe der ungarisch-serbischen Grenze gelotst. Dort stiegen nicht Prostituierte ein, sondern rund 20 Flüchtlinge.

„Wir waren perplex!“, behauptete der 18-Jährige.

Es habe hitzige Gespräche mit den Auftraggebern gegeben, daraufhin seien ihnen 8000 Euro für die Schlepperfahrt bis zur österreichischen Grenze versprochen worden, so die Stiefbrüder.

Danach hätten sie eigentlich aussteigen wollen, seien aber von den Auftraggebern unter Druck gesetzt worden. „Es hieß, wenn wir nicht fahren, bekommen wir richtig Probleme“, berichtete der 18-Jährige.

Daher habe er noch zwei weitere Schlepperfahrten durchgeführt, während sein Bruder in Budapest in einem Hotel geblieben sei.

60 Flüchtlinge bis zur „Grünen Grenze“ gebracht

Insgesamt sollen mehr als 60 Flüchtlinge bis zur österreichischen Grenze gebracht worden sein. Zu Fuß marschierten die Fremden dann weiter.

Am 30. September seien sie mit leerem Lieferwagen auf der Rückfahrt gewesen, als sie von der Polizei gestoppt wurden.

Einen Großteil des versprochenen Geldes, 20.000 Euro, hätten sie in Linz bekommen sollen, so der ältere Stiefbruder. Zuvor seien sie jedoch verhaftet worden.

Der 24-Jährige wurde wegen Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zu 30 Monaten Haft verurteilt, sein Stiefbruder zu 20 Monaten Haft.