Reinhard Gettinger - Über einen „gefallenen Mönch“

Erstellt am 15. September 2023 | 06:00
Lesezeit: 4 Min
Reinhard Gettinger Porträt
Reinhard Gettinger, hier als Lesehelfer im Bild, ist so etwas wie die Pippi Langstrumpf von Neusiedl am See. Er macht sich die Welt, wie es ihm gefällt.
Foto: Birgit Böhm-Ritter
Werbung
Ob Spinner, Guru oder genialer Künstler: die Meinungen über den Neusiedler Reinhard Gettinger gehen weit auseinander. Die BVZ hat er in seine Lebensweise eingeweiht und von seinen kreativen Aktivitäten, seinem Verzicht auf Materielles und seiner „Erleuchtungswoche“ erzählt.

Er kleidet sich in langen Kleidern, die Haare kurz geschoren, geht gerne barfuss und wird stets begleitet von seiner treuen Irischen Wolfshündin. Wer öfters in Neusiedl oder Weiden am See unterwegs ist, wird sofort wissen, von wem hier die Rede ist. Reinhard Gettinger ist einer der auffällt und durch seine Lebensweise auch polarisiert. Dabei sprüht er vor Kreativität, der er in Liedern, Gedichten, Geschichten und vor allem Bildern Ausdruck verleiht. Zuletzt hat er ein Kinderbuch mit dem Namen „Von Eckenlächlern, Kugli-Muglis und Anderen“ herausgebracht, welches in der Wein- und Kaffeebar „Zum echten Leben“ in Neusiedl am See erhältlich ist.

Reinhard Gettinger Porträt
Foto: Birgit Böhm-Ritter

Der Neusiedler spricht nie von sich als Künstler und trotzdem sind es wohl seine Kunstwerke über die er sich definiert. Der Dachboden seines Stadls in Weiden am See ist voll von Bildern, in dicken Mappen sind seine Geschichten und Gedichte gesammelt und momentan nimmt er im Tonstudio eine CD mit seinen eigenen Songs auf. Er habe eine Botschaft nach außen zu tragen und das wolle er mit seinen Kunstwerken machen: „Freude teilen, denn sie wird dann nicht weniger, sondern potenziert sich. Frieden geben. Und aus vollsten Herzen verzeihen. Der Schritt um Verzeihung zu bitten, ist sehr schwer, aber es ist ein Schritt, der Herzen öffnet“, erzählt er poetisch.

Doch woher schöpft er seine Kreativität? „Die Geschichten kommen zu mir. Und dann bin ich so gerührt. Bei den Liedern ist es noch extremer. Manchmal träume ich sie. Im Nachhinein bin ich oft selbst von mir überrascht, dass ich das kann“, sagt er demütig.

Nicht nur sein Äußeres erinnert an einen Mönch. Auch seine Lebensweise. Wobei Reinhard sich neuerdings als gefallener Mönch bezeichnet. Dem selbst auferlegten Zölibats wegen. „Mönch sein, dazah i ned“, lacht er. Aber er wolle ein „wahrhaftiger Mensch“ werden und habe allem Materiellem abgeschworen. Er wohnt in seinem Stadl, der gleichzeitig auch der Stall für sein Pferd ist, hat weder Heizung noch Warmwasser, verzichtet auf Auto, Medien und Handy und ernährt sich fast ausschließlich von Rohkost. Im Winter wärmt ihn seine Hündin oder eben mehrere Schichten an Kleidung. Er lebt ohne Besitzansprüche. „Mit dem Wort 'mein' konnte ich noch nie etwas anfangen“, sagt er. Der Verzicht auf sämtliche Kommunikationsmittel macht es etwas schwierig, mit Reinhard in Kontakt zu treten. „Wer mich treffen will, der soll mich im Bobby's besuchen“, lacht er.

Ein Künstler auf Selbstfindungstrip? Wohl eher nicht. Denn auch wenn, es seltsam klingen mag, hat Reinhard bereits „seine Erleuchtungswoche“ erlebt: „Das war eine Woche, in der ich freudig bebend, aber auch schwer zu ertragen, erkannt habe, was ich bin. Das Licht.“

Ein Spinner oder ein Guru?

Die einen nennen ihn einen Narr, die anderen einen Guru. Ersteres kommt seiner eigenen Definition wohl näher. Dass er als „verrückt“ bezeichnet wird, stört ihn kaum. Der Begriff fällt auch immer wieder, wenn er von sich selbst mit nicht wenig Selbstironie spricht. Ein Guru möchte er aber nicht sein. Er wolle niemanden seine Lebensweise aufzwingen, betont er. „Das ist das Richtige für mich. Jeder soll leben, wie er möchte.“ Aber vielleicht könne er Anstöße geben und in irgendeiner Art und Weise inspirieren.

Und was bedeutet Glück für jemanden, der sein Leben sehr reduziert lebt? „Dass ich Menschen treffe, die nett sind, mit denen ich gemeinsam arbeiten und in einen Dialog treten darf. So wie heute, wo wir uns zur gemeinsamen Lese treffen. Heute bin ich glücklich.“