Region Neusiedler See: Ein Welterbe im Spannungsfeld Tourismus

„Schützen durch Nützen“ – dieses Motto gilt für das Gebiet Fertö- Neusiedler See bereits seit vielen Jahren. Am 13. Dezember feiert die geschützte grenzüberschreitende Kulturlandschaft ein besonderes Jubiläum: Vor genau 20 Jahren wurde die Region mit der Überreichung der Urkunde offiziell zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Damit gehört die einzigartige Landschaft um den pannonischen Steppensee zu den 1.154 Stätten weltweit, denen die UNESCO-Kommission „außergewöhnliche Bedeutung für die gesamte Menschheit“ attestiert. Nur 43 dieser Stätten sind grenzüberschreitend.
Im Vorfeld dieses Jubiläums lud der Verein Welterbe Neusiedler See gemeinsam mit dem Tourismusverband Nordburgenland zu einer Pressekonferenz, in der besonders das Spannungsfeld Tourismus im Welterbe beleuchtet wurde. Patrik Hierner, Geschäftsführer des Tourismusverbandes, sowie Welterbe-Vereinsobmann und Stellvertreter Erwin Preiner und Rudolf Strommer zeigten sich dabei einig: Tourismus und Welterbe könnten voneinander profitieren und sich gegenseitig befruchten. Eine besondere Sensibilität sei aber vorausgesetzt.
Erarbeitung neuer Baurichtlinien
Oberstes Credo ist es, das Weltkulturerbe zu schützen, nur so könne man diese Auszeichnung auch als besondere Tourismusdestination vermarkten.
„Die kulturellen Schätze sollen weiterhin erhalten bleiben. Dafür muss man versuchen, mit allen Nutzern gangbare Wege zu finden“, betont Erwin Preiner und weist auf die Erarbeitung eines neuen Managementplans für die Welterberegion hin, die erst kürzlich gestartet worden ist.
Ein Fokus im neuen Managementplan wird auf Bebauungsrichtlinien gelegt, denn „man muss danach trachten, welterbegerecht zu bauen. Das heißt, nicht zu hoch und die Fassaden entsprechend der Umgebung und Landschaft anpassen.“ Schon jetzt müssen sich Bauprojekte ab einer bestimmten Größenordnung den „Sanctus“ vom Welterbebeirat holen. Es sei eigentlich immer gelungen, mit den Bauwerbern eine Einigung zu schaffen, mittlerweile werde der Welterbebeirat oft schon in die Planung miteinbezogen, sagt Rudolf Strommer.
Gut so, denn die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status wäre „kein besonderes Prädikat“. Die Gefahr, von der Unesco auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten gesetzt zu werden, wie es zuletzt Naturschutzorganisationen fürchteten, sieht Strommer nicht. Den „Stein des Anstoßes“, nämlich die riesige Baustelle im Seebad Fertörakos auf der ungarischen Seite des Neusiedler Sees, haben Preiner und Strommer erst vor ein paar Tagen besichtigt. Sie zeigten sich weniger beunruhigt als österreichische und ungarische Naturschützer. „Mein Eindruck ist, dass dort ein Seebad aus den 1960er Jahren umgebaut wird. So wie wir es in Österreich auch gemacht haben“, so Strommer. Der Umbau sei kleiner als das Esterházy-Projekt in Breitenbrunn.
Gesteuerter Tourismus statt „Overtourism“
Der „Stempel“ Welterbestätte ist eine besondere Auszeichnung, die auch zum Fluch werden kann, wenn der Tourismus dort überhand nimmt und es zu einem sogenannten „Overtourism“ kommt: Negative Beispiele sind in diesem Zusammenhang etwa Hallstatt, Dubrovnik oder Venedig. „Dieses Problem sehe ich in unserer Region nicht, aber man muss den Tourismus steuern“, betont Strommer. In die gleiche Kerbe schlägt Tourimusexperte Patrik Hierner. Es gebe eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Menschen, die sich auf ihren Reisen speziell Welterbestätten anschauen. Im Sinne eines nachhaltigen Torismus müsse man diese Chance in der Region Neusiedler See nutzen.
Für Hierner nimmt die internationale Bedeutung des Welterbes marketingtechnisch einen hohen Stellenwert ein, der künftig noch besser genutzt werden sollte. Seitens des Tourismusverbandes Nordburgenland, der eine enge Zusammenarbeit mit den Welterbegemeinden und dem Welterbeverein anstrebt, sind eben die drei Säulen „See, Landschaft, Ortschaften“ maßgeblich für touristische Angebote der Zukunft.
Rund um den österreichweiten Welterbetag am 18. April 2022, der von allen zwölf Welterbestätten in Österreich zeitgleich durchgeführt werden soll, werden in Zusammenarbeit mit den Welterbegemeinden Veranstaltungen stattfinden. Vor allem soll auch das heurige Jubiläum „20 Jahre Welterbe“ nachträglich gefeiert werden.