Nach sieben Jahren: Kassen-Urologe schließt Praxis

Erstellt am 24. September 2020 | 04:12
Lesezeit: 5 Min
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Für eine Krankmeldung muss man bald wieder persönlich zum Arzt
Für eine Krankmeldung muss man bald wieder persönlich zum Arzt
Foto: APA
Dr. Farsin Karimian klagt über „fehlende Vertrauensbasis“. Frauenkirchens Bürgermeister Ziniel scheiterte mit finalem Angebot.
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Mit zahlreichen niedergelassenen Ärzten, einem Dialysezentrum sowie der Unfallambulanz ist die Stadtgemeinde als medizinisches Zentrum im Seewinkel bekannt. Die ärztliche Versorgung in der knapp 2900-Einwohner-Gemeinde ist überdurchschnittlich gut. Die nahende Pensionierung des Gemeindearztes und die somit frei werdende Kassenstelle sorgten in den vergangenen Tagen allerdings für einigen Diskussionsstoff im Ort. Mit weitreichenden Folgen: Denn nun verlässt auch der hier seit sieben Jahren niedergelassene Urologe Dr. Farsin Karimian Frauenkirchen.

Für die frei werdende Planstelle für Allgemeinmedizin interessierte sich seine Ehefrau Dr. Astrid Karimian-Namjesky. Sie führt derzeit eine Ordination im Waldviertel. Mit der Pensionierung des Frauenkirchener Gemeindearztes Dr. Forster sah das Ärzteehepaar eine Möglichkeit, sich einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt in Frauenkirchen aufzubauen. Ausreichende Unterstützung des Bürgermeisters vermissten sie dabei allerdings.

Lokalität für gemeinsame Ordination

„Wir baten in einem Gespräch Anfang Juli um eine Lokalität, in der wir uns eine gemeinsame Ordination aufbauen könnten“, sagt Dr. Farsin-Karimian gegenüber der BVZ. Nach diesem Gespräch seien jedoch keine positiven Signale aus der Gemeinde gekommen. Im Gegenteil es herrschte Funkstille. Die erste Bewerbungsfrist für die Kassenstelle verstrich am 24. Juli, ohne eine einzige Bewerbung: Weder ein Mitbewerber noch Astrid Karimian-Namjesky interessierten sich für die Kassenstelle. Ein geeignetes Objekt müsse vor einer Bewerbung gefunden werden, erklärte der Urologe: „Es macht keinen Sinn, einen Kassenvertrag in der Tasche, aber keine geeignete Ordination zu haben.“

Überzogene Forderungen des Ärzteehepaares an die Gemeinde dementierte Dr. Karimian. In den sozialen Medien hieß es, neben einer gemeinsamen Ordination forderten die beiden Ärzte ein Wohnhaus in Form eines Bungalows.

Förderungen durch die Gemeinde für den Aufbau einer Praxis sind nichts ungewöhnliches: Laut den Förderrichtlinien zur Landarztförderung ist es für die Förderung durch das Land Burgenland Voraussetzung, dass auch die Gemeinden eine Förderung in selber Höhe leisten.

„Letztere muss keine Geldzahlung wie beim Land sein, sondern kann auch darin bestehen, dass zum Beispiel Ordinationsräumlichkeiten für einen gewissen Zeitraum gratis zur Verfügung gestellt werden, indem die Gemeinden etwa die Miete bezahlen“, sagt Thomas Bauer , Direktor der Ärztekammer, auf Anfrage der BVZ. Und Bauer weiter: „Laut unserem Informationsstand wird das auch meist so praktiziert, in manchen Fällen gibt es auch darüber hinaus gehende Vereinbarungen zwischen Gemeinde und Arzt.“

In Zeiten des wachsenden Ärztemangels am Land werden auch die Anreize durch die Gemeinden immer wichtiger.

Das sieht auch Frauenkirchens ÖVP-Parteiobfrau Martina Kettner so. Sie ortet ein schlimmes Versäumnis bei Bürgermeister Josef Ziniel.

Kritik am Bürgermeister wird laut

Kettner hätte vom Ortschef erwartet, dass er weitere Gespräche mit dem Ärzte-Ehepaar suche und zeitgerecht eine geeignete Immobilie zur Verfügung stelle. Das Vorgehen des Ortschefs nennt sie „fahrlässig“.

Den Vorwurf, er hätte es versäumt, dem Ehepaar nicht rechtzeitig Unterstützung zuzusagen, will Bürgermeister Josef Ziniel nicht gelten lassen. Er habe Dr. Astrid Karimian-Namjesky bereits im ersten Gespräch mitgeteilt, dass die Fördersätze zwischen 40.000 und 60.000 Euro liegen werden. „Dass das Paar eine Ordination sucht, in der beide praktizieren können, wurde bei dem Gespräch gar nicht angesprochen“, sagt Ziniel. Außerdem sei es auch für ihn nicht einfach, eine geeignete Immobilie in so kurzer Zeit zu finden. Zuletzt sei das Förderangebot schon bei über 100.000 Euro gelegen.

Inzwischen hat sich auch der Urologe selbst entschlossen, Frauenkirchen zu verlassen und seine Ordination hier aufzugeben. Die örtliche Trennung zu seiner Frau sei längerfristig untragbar: „Ich fahre jährlich 60.000 Kilometer. Das Pendeln geht auf Dauer nicht.“ Ende des Jahres wird Dr. Karimian seine Praxis in Frauenkirchen schließen und neue Aufgaben in Zwettl übernehmen. Auf seiner Website ist zu lesen: „Die Bemühungen den Lebensmittelpunkt nach Frauenkirchen verlegen zu wollen und auch die künftige hausärztliche Versorgung durch meine Gattin anzubieten sind bedauerlicherweise als gescheitert zu betrachten.“

Einzige Kassen-Stelle im Bezirk wird frei

Dr. Karimian ist der einzige Urologe mit Kassenvertrag im Neusiedler Bezirk. Diese Planstelle wird wohl von der Ärztekammer neu ausgeschrieben werden. Interessenten soll es aber laut Bürgermeister Josef Ziniel schon geben.

Am 15. September ist übrigens die zweite Frist für die offene Stelle für Allgemeinmedizin in Frauenkirchen abgelaufen. Bewerbungen hat es keine gegeben. Somit bleibt die Planstelle ab 1. Oktober vakant, dann tritt Gemeindearzt Dr. Peter Forster nämlich seinen Ruhestand an. Damit bleibt Dr. Karina Timler einzige Kassenärztin für Allgemeinmedizin im Ort.

„Die Grundversorgung ist damit sichergestellt, aber wir brauchen einen weiteren Kassenarzt“, betont Bürgermeister Ziniel mit dem Hinweis, dass auch die Bewohner des großen Sozialzentrums gut betreut werden müssen. Die Suche nach Ärzten, die sich am Land niederlassen wollen ist jedenfalls eine langwierige: Auch für die offene Planstelle eines Kinderarztes in Frauenkirchen hat es zum wiederholten Male keine Bewerbung gegeben.

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