AMS-Leiter Strobl: „Lockdown hat gebremst“

Erstellt am 26. November 2020 | 05:18
Lesezeit: 4 Min
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Dietmar Strobl leitet das AMS in Oberwart. Mit seinem engagierten Team ist er auch für die derzeitige herausfordernde Situation bestens vorbereitet.
Foto: Archiv
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Corona hat den Arbeitsmarkt vor besondere Herausforderungen gestellt. AMS-Leiter Dietmar Strobl über die Lage im Bezirk Oberwart und Kurzarbeit für 3.100 Arbeitnehmer.

BVZ: Wie ist die Lage derzeit am Arbeitsmarkt im Bezirk Oberwart?

Dietmar Strobl: Die Entwicklung am Arbeitsmarkt begann im heurigen Jahr 2020 recht vielversprechend. Ende Feber waren noch 2.358 Personen vorgemerkt, Ende März stiegen die Zahlen explosionsartig auf 3.187 (+ 65 Prozent). Mit Ende September hat sich die Situation entspannt, doch noch immer steht ein Plus von fast 30 Prozent mehr an arbeitssuchenden Personen in der Statistik. Die stark steigende Arbeitslosigkeit hat niemand verschont. Sowohl Frauen als auch Männer, Jugendliche, wie ältere Personen sind davon betroffen. Gleichzeitig mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit reduzierte sich durch Covid-19 auch der Zugang der offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahr dramatisch (bis 76 Prozent im April). Die leicht positive Entwicklung ab Juni wurde durch den zweiten Lockdown abrupt beendet. 2.012 Personen sind momentan im Bezirk arbeitssuchend vorgemerkt, 70 Prozent davon haben keine abgeschlossene Berufs- oder Schulausbildung. 500 befinden sich in Schulungen. Das „Anlaufen“ einer grundsätzlich positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt wurde aber durch den nun verhängten zweiten Lockdown wieder stark abgebremst.

BVZ: Welche Branchen sind besonders von der Corona-Krise betroffen? Welche Branchen haben sich erholt, welche noch nicht?

Strobl: Durchwegs alle Branchen sind aktuell betroffen. Die Einschätzung der Auswirkungen war auch für viele sehr schwierig. Corona änderte viel – darrunter auch das Urlaubsverhalten vieler. Die großen Hotelleriebetriebe im Bezirk stellten anfangs auf Kurzarbeit um, aber überraschenderweise war die Auslastung ab Juli mehr als gut, deshalb wurde sogar zusätzliches Personal benötigt. Hingegen klagte die regionale Gastronomie sehr über Umsatzrückgänge. Das Bau- und Baunebengewerbe hat hingegen laufend einen Personalbedarf gemeldet. Die Auftragsbücher sind voll und teilweise fehlt qualifiziertes Personal.

BVZ: Was raten Sie jemanden, der durch die Coronakrise seinen Job verloren hat?

Strobl: Das kommt ganz auf die persönliche Situation an. In gewissen Branchen werden gute Fachkräfte benötigt. Habe ich keine abgeschlossene Ausbildung, dann würde ich diese Zeit für meine Weiterbildung nützen. Das AMS forciert die Qualifizierungsberatung, informiert und finanziert je nach Möglichkeit die Aus- und Weiterbildungen.

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Dietmar Strobl leitet das AMS in Oberwart. Mit seinem engagierten Team ist er auch für die derzeitige herausfordernde Situation bestens vorbereitet.
Foto: Quelle: AMS; Grafik: Bischof

BVZ: Gibt es auch Branchen, in denen jetzt offene Stellen angeboten werden?

Strobl: Wir haben momentan 145 offene Stellen zur Verfügung. Der größte Anteil betrifft das Bau- und Baunebengewerbe. Aufträge sind vorhanden, bleibt das Wetter mild würden viele Unternehmen gerne durcharbeiten. Aber auch im Einzelhandel- und Bürobereich gibt es viele offene Stellen, auch Personen mit Pflege/Gesundheitsberufen sind gefragt. Wenig tut sich logischerweise im Gastronomiebereich.

BVZ: Wie ist die Lage bei den offenen Lehrstellen?

Strobl: Aktuell stehen 33 Lehrstellen zur Verfügung – in erster Linie im Bau-Baunebengewerbe, Metall- und Elektrobereich. 10 offene Lehrstellen gibt es im Einzelhandel. Dem gegenüber stehen 36 Jugendliche die eine Lehrstelle suchen.

BVZ: Stichwort Kurzarbeit: Wie viele Anträge sind eingelangt? Gibt es seit November dazu vermehrt Anfragen? Welche Rolle spielt die Kurzarbeit im Bezirk?

Strobl: Die Kurzarbeit spielt natürlich eine große Rolle. Seit März haben 607 Betriebe Kurzarbeit beantragt, davon waren immerhin mehr als 8.000 Personen betroffen, die im Dienstverhältnis blieben und nicht arbeitslos wurden. Für diese Kurzarbeit wurden 28 Millionen Euro flüssig gemacht. Seit 1. Oktober sind 132 Betriebe in der „Phase 3“. Diesmal betrifft es 590 Personen mit einem budgetierten Betrag von 4,7 Millionen Euro. Durch die Kurzarbeit wurde die Weiterführung der Dienstverhältnisse ermöglicht.

BVZ: Wie haben Sie das AMS Oberwart corona-konform gestaltet?

Strobl: Unsere Sicherheitsvorgaben richten sich nach den gesetzlichen Vorgaben. Die Online- etreuung steht im Vordergrund, telefonische Beratung wird forciert. Gleichzeitig wird aber auch gewährleistet, dass, wenn nötig, persönliche Gespräche möglich sind. Ein Krisenteam wurde installiert und „Homeoffice“ forciert. Damit sollen die Dienstleistungen des AMS auch dann garantiert werden können, wenn sich Mitarbeiter mit Covid-19 infizieren.

BVZ: Wie sehen Sie die weitere Entwicklung am Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten?

Strobl: Die Einschätzung der weiteren Entwicklung am Arbeitsmarkt ist mehr als schwierig. Sehr vieles wird davon abhängen, wie erfolgreich die Infektionsrate gesenkt werden kann, wann und in welcher Menge ein geeigneter Impfstoff zur Verfügung steht. Meine Grundeinstellung ist jedoch eine optimistische. Wir werden versuchen, auch aus und in dieser Situation das Beste zu machen. Das heißt mehr Information und Beratung für Unternehmen und arbeitssuchende Personen, ein großes Angebot an Weiterbildung und Höherqualifizierung sowie rasche Vermittlung von geeignetem Personal.

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