Oberwart: Es gab keinen Deal mit dem lieben Gott

Erstellt am 14. September 2023 | 12:00
Lesezeit: 4 Min
Powerfrauen
Foto: Milisits
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Sieglinde Pfänder ist evangelische Pfarrerin in Oberwart und Obfrau der Diakonie Burgenland. Die gebürtige Bernsteinerin ist eine Powerfrau der Extraklasse. Das Evangelium von Jesus Christus wirkt auf sie befreiend.

Sie ist charismatisch, klar und deutlich. Sie predigt spannend, aber sie kann auch zuhören. Und wenn sie zuhört, hört sie auch, was in den Sprechpausen nachklingt. Die Aura, die Sieglinde Pfänder umgibt, zieht in den Bann. Dem Ruf Gottes folgte sie auf Raten. „Ich hatte kein spezielles Berufungserlebnis. Ich bin in der Kirche groß geworden und in viele meiner Aufgaben hineingewachsen. Mein Vater war Religionslehrer und hat selbstverständlich Kindergottesdienst gehalten“, sagt Sieglinde Pfänder. „Als Absolventin des Evangelischen Gymnasiums in Oberschützen hatte ich auch in Pfarrer Johann Ulreich jemanden, der mir gezeigt hat, dass das Evangelium von Jesus Christus einen starken Befreiungscharakter hat. Das hat mich fasziniert und neugierig gemacht“, sagt die gebürtige Bernsteinerin. Und dann wurde ihre Oma krank. Krebs mit Querschnittlähmung, Sieglinde Pfänder war 17 Jahre alt.

Der Deal mit dem lieben Gott

„Meine Mama hat in ihrer Verzweiflung gehofft, dass sie einen Deal mit dem lieben Gott schließen kann. Sie hat Gott quasi versprochen, dass sie alles ihr Mögliche tun wird, um aus mir eine Pfarrerin zu machen, wenn ihre Mama nur wieder gesund wird. Das mag für jemanden, der keine Erfahrung mit Trauerphasen hat, schräg klingen, ist aber tatsächlich ein ganz normaler Prozess, wenn sich ein Abschied anbahnt“, erklärt Sieglinde Pfänder. „Der Deal ist natürlich nicht ganz so aufgegangen, wie erhofft, aber meine Oma hatte einen unglaublichen Lebenswillen, hat länger gelebt, als prognostiziert und mich, auch während der Zeit, als sie krank und wirklich auf den kleinsten Handgriff für alles angewiesen war, tief beeindruckt. Als sie starb, habe ich bereits Theologie studiert und mich immer wieder mit der Frage beschäftigt, warum der gute Gott uns Menschen leiden lässt“, so Pfänder, die das Gesicht der Diakonie im Burgenland ist.

Gelebte Integration in der Diakonie

„Meine Aufgabe ist es, die diakonischen Einrichtungen im Burgenland zu koordinieren und die Arbeitsfelder der Diakonie im Burgenland zu erweitern. Wir bieten und entwickeln Angebote für Menschen im Alter, Menschen mit psychischen Erkrankungen, Menschen mit Fluchterfahrung und Migrationshintergrund, Menschen mit Armutserfahrung und Menschen mit Beeinträchtigungen. Wir bemühen uns in allen diesen Arbeitsfeldern Integration und Inklusion zu leben“, sagt Pfänder, deren Power von dem kommt, der Himmel und Erde gemacht hat. „Meine Kraft kommt aus dem tiefen Glauben an eine Kraft, die die Welt und alles, was auf ihr ist, ins Leben gerufen hat – und aus dem Glauben an Jesus Christus, der uns vorgelebt hat, wie wir miteinander umgehen sollten, damit das Leben für möglichst viele Menschen gut sein kann“, sagt Pfänder. „Und aus dem Glauben an die Heilige-Geist -Kraft, die uns erneuern und beseelen möchte, wenn wir uns für sie öffnen. Damit wir gütig und gut zueinander sein können. Ich bin dankbar und versuche etwas von dem, was mir in meinem Leben geschenkt wurde, an andere weiterzugeben – und ich bin getragen, von meiner Familie, von vielen Menschen in meiner Gemeinde, von vielen Menschen, die mir einmal fremd waren und jetzt meine Freunde sind. Dieses intensive Verbundensein mit anderen Menschen, spirituell und real, in einer Gemeinschaft zu leben, die Werte und Ansichten teilt, ermutig und bestärkt mich“, betont Sieglinde Pfänder, die sich keinen schöneren Beruf als ihren vorstellen könnte. „Ich liebe meinen Beruf und ich liebe Menschen, ich bin neugierig auf ihre Lebensgeschichten und ich bin einfühlsam – und ich kann gut zuhören – aktiv zuhören. Es ist nur schwierig, die Erwartungen von außen und das Zeitbudget, das ich habe, mit meinem Leben als Privatmensch in Einklang zu bringen“, sagt die Seelsorgerin. Und ihre Botschaft an die Menschen ist klar und deutlich.

„Es geht um Respekt vor dem Leben, vor jedem Leben! Es geht um Wertschätzung und den Mut, hinzuschauen, wo andere wegschauen. Und um den Blick deines Gegenübers zu suchen, auch wenn er von dir einfordert, mit ihm in die Tiefen seiner Seele zu schauen“. Was für eine außergewöhnliche Frau.