Frauen missbraucht? Arzt vor Gericht

Am 17. September 2021 hatte eine 48-jährige Frau Anzeige bei der Polizei erstattet: Sie sei am Vormittag desselben Tages nach einer Darmspiegelung vom behandelnden Arzt in dessen Praxis sexuell missbraucht worden.
Zwei weiteren Frauen soll im Juni und August 2021 im Aufwachraum der Ordination Ähnliches passiert sein.
Der 46-jährige Arzt wurde wegen sexuellen Missbrauchs wehrloser Personen angeklagt und musste sich am Dienstag dieser Woche vor Gericht verantworten.
Vorgeworfen wird ihm, sich an den drei Frauen vergriffen zu haben, als diese noch unter dem Einfluss des zuvor verabreichten Sedierungsmittels standen.
Die Frauen berichteten davon, dass der Arzt sie an der Brust und im Genitalbereich berührt habe.
Nie allein mit sedierten Patienten
Der Arzt bekannte sich nicht schuldig. Seine Assistentinnen hätten die Dienstanweisung, ihn nicht mit Patienten alleine zu lassen. Wenn sich eine Patientin oder ein Patient im Aufwachraum befinde, sei er, so der Arzt, schon wieder damit beschäftigt, das Bett im Untersuchungszimmer zu desinfizieren und die Medikamente vorzubereiten.
Im Aufwachraum befinde sich jedoch auch sein Schreibtisch. Er schreibe dort seine Befunde.
„Ich bin nie allein mit sedierten Patienten“, sagte der Arzt. „Auch nicht sehr kurz.“
Nebenwirkungen der Medikamente?
Sein Anwalt verwies auf mögliche Nebenwirkungen der Medikamente, die zur Sedierung der Patienten verwendet werden. In der Fachliteratur werde über Zustände sexueller Erregung und sexuelle Phantasien berichtet. Dies betreffe vor allem Frauen. „Traumähnliche Wahrnehmungen und Halluzinationen sind ein lange bekanntes Phänomen“, sagte der Anwalt. Er beantragte einen Freispruch für seinen Mandanten.
„Was die Frauen schildern, ist eher das Gegenteil von sexueller Erregung“, hielt Richterin Doris Halper-Praunias dem Arzt vor. „Sie sagen, es war schrecklich, sprechen von Missbrauch und haben eine posttraumatische Belastungsstörung.“
„So etwas ist nicht passiert“, blieb der Mediziner bei seiner Verantwortung. Dass jene Frau, die sofort nach ihrer Untersuchung im September 2021 Anzeige erstattet hatte, noch vom Aufwachraum aus ihren Freund per WhatsApp darüber informierte, dass der Arzt sie „begrapscht“ habe, könne er sich nicht erklären.
„Keine der drei Frauen hat mich darauf angesprochen“, sagte der Arzt. Der Arzt habe ihr gleich zu Beginn die Narkose verabreicht, obwohl sie vorher mit der Assistentin besprochen habe, dass sie selbst über eine Sedierung entscheiden wolle, berichtete jene 48-jährige Frau vor Gericht, die am 17. September die erste Anzeige erstattet hatte.
Im Aufwachraum sei sie nach der Untersuchung seitlich auf eine Liege gebettet worden.
Der Arzt habe sich ihr genähert und zuerst ihren Bauch und dann die Brust massiert. Sie sei sich zu „tausend Prozent sicher“, dass dies so passiert sei. „Ich fragte, was das soll“, so die 48-Jährige. Sie wisse aber nicht, ob sie diese Frage laut und deutlich stellte. „Ich war noch körperlich eingeschränkt“, so die Zeugin.
Der Arzt habe dann den Raum verlassen, ihr Kopf habe „verrückt gespielt“. „Ich sagte mir: Du musst hellwach sein. Das, was hier passiert ist, ist nicht zum ersten Mal passiert!“
Keine zwei Minuten später sei der Arzt wieder da gewesen und habe sie im Genitalbereich berührt.
Sie habe Angst und Panik verspürt, so die Frau. „Ich dachte daran, wie ausgeliefert ich bin und dass mir kein Mensch glauben wird.“
Der Arzt habe noch immer noch nicht von ihr abgelassen, sondern ihre Brust mit dem Mund berührt.
Abstriche brachten keinen Hinweis
Als er wieder weg war, habe sie ihr Handy genommen und Nachrichten an ihren Freund geschickt. Sie habe die Ordination verlassen, ohne den Arzt mit dem Vorfall zu konfrontieren. Danach sei sie sofort zur Polizei gegangen.
Auf ihr Drängen seien Abstriche im Brustbereich genommen worden, nicht jedoch von der Scheide.
Die DNA-Untersuchung der Proben ergab keine Hinweise auf den Arzt.
Sie sei seit dem Vorfall in psychotherapeutischer Behandlung und leide unter Albträumen, berichtete die Frau. „Das Schlimmste für mich ist, dass ich kein Vertrauen in Ärzte mehr haben kann“, sagte sie.
Ein weiteres mutmaßliches Opfer hatte sich nach der Magenspiegelung bei dem Angeklagten im August einer Freundin anvertraut.
„Sie sagte, sie habe das Gefühl gehabt, dass der Arzt ihre Brust angegriffen hat“, berichtete die Freundin der Patientin. „Und sie sagte, es ging noch weiter. Er war mit der Hand unter ihrem Slip.“
Sie habe der Freundin geraten, zur Polizei zu gehen. Die Freundin habe aber befürchtet, dass ihr niemand glauben werde. Monate später, nach einem anonymen Anruf bei der Polizei, habe dann die Exekutive selbst mit dem mutmaßlichen Opfer Kontakt aufgenommen.
Wenige Tage später wurde im November 2021 eine dritte Anzeige erstattet: Von einer Frau, die darüber berichtete, dass der Arzt nach einer Koloskopie im Juni 2021 ihre Wehrlosigkeit ausgenützt und sie sexuell missbraucht habe.
Der Prozess wurde am Dienstagnachmittag vertagt.