„Habe gedacht: He, das ist nicht selbstverständlich“

Freitag, Studio 44 der Österreichischen Lotterien in Wien. Mit Hans Niessl wird der einzige Kandidat im Rahmen der BSO-Generalversammlung zum Nachfolger des im August verstorbenen Rudolf Hundstorfer gekürt. Der 68-jährige burgenländische Alt-Landeshauptmann erhält 109 von 113 Stimmen und tritt nach seiner Zeit als rot-goldener Sportreferent nun wieder eine Funktion im Sport an. Nicht irgendein Amt, sondern jenes des ehrenamtlichen Präsidenten der Bundes-Sportorganisation (BSO), die als „Sport Austria“ eine Marke sein soll.

„Sport Austria klingt besser als BSO“, sagt auch der Neo-Boss in seiner Antritts-Pressekonferenz, nachdem ihm die Mitglieder (Vertreter sämtlicher Dach- und Fachverbände sowie des Österreichischen Olympischen Comités, des Paralympischen Committees und Special Olympics Österreichs sowie des Behindertensportverbands) das Vertrauen ausgesprochen haben. Wirklich zittern musste Niessl im Vorfeld nicht, da er als gemeinsamer Kandidat der Dachverbände und vor allem als einziger Kandidat vorgeschlagen wurde.
Weil die Wahl aber geheim und eine Zweidrittel-Mehrheit nötig war, zeigte sich der ehemalige Spitzenpolitiker, Ex-Regionalligakicker (SC Frauenkirchen) und Trainer bei Gols, Weiden sowie Frauenkirchen dann doch sichtlich erleichtert. Und vor allem motiviert für die nächsten fünf Jahre Amtszeit. Es werde sehr gute Arbeit geleistet, stellte er eingangs fest, zu tun gebe es aber doch einiges. Sport und Bewegung seien mit einer Bruttowertschöpfung von rund 18 Milliarden Euro ein Big Player der österreichischen Volkswirtschaft.
Um dem Stellenwert weiterhin gerecht zu werden, brauche es aber die flächendeckende Umsetzung der täglichen Sport- und Bewegungseinheit, mehr Raum für Sport, eine bessere Unterstützung für die rund 576.000 im Sport ehrenamtlich engagierten Menschen und auch neue, zusätzliche Einnahmen wie eine zweckgewidmete Sportwetten-Abgabe oder die lange geforderte Valorisierung der Bundes-Sportförderung. Um nur einige Punkte zu nennen. Ob alle ambitionierten Vorhaben gelingen? „Wir werden Tempo machen,“ stellte Hans Niessl klar. Im Anschluss bat ihn die BVZ zum Gespräch.
Herr Niessl, in Ihrer politischen Zeit hat man Sie mit Herr Landeshauptmann angesprochen und dabei üblicherweise gedutzt. Wie ist es nun als BSO-Präsident?
Hans Niessl: Im Sport ist es noch mehr üblich per Du zu sein. Das zeigt das freundschaftliche Verhältnis, das es etwa innerhalb der Fach- und Dachverbandspräsidenten gibt. Ich war von den Begegnungen mit allen relevanten Funktionären Österreichs sehr positiv überrascht.
18 Jahre waren Sie auch als Sportreferent des Burgenlands aktiv. Was darf die rot-goldene Sportfamilie von Ihnen in der neuen Funktion erwarten?
Niessl: Dass ich vor allem in sehr vielen Bereichen mit dem Bund und auch dem Land Kontakt aufnehmen werde, um etwa dort, wo es nötig ist, die Infrastruktur zu verbessern. Am Ende meiner politischen Tätigkeit habe ich schon durch die Leichtathletikanlage in Eisenstadt gezeigt, dass viel Positives zu bewegen ist, wenn man gemeinsam arbeitet. Daher geht es mir darum, sowohl im Burgenland, als auch in anderen Bundesländern die Infrastruktur weiter auszubauen. Sport braucht Raum. Ich werde auch darum kämpfen, dass die Sportstätten in den Ferienzeiten geöffnet werden.
Sie haben sich bei Ihrer ersten Pressekonferenz voller Tatendrang präsentiert. Ist die „Infrastruktur“ unter den Top-Drei der wichtigsten Programmpunkte?
Niessl: Ja. Das ist eine unbedingte Notwendigkeit. Die tägliche Turnstunde und die Öffnung der Sportstätten sind zwei ganz wesentliche Punkte. Da geht es um Kinder – sie brauchen die besten Rahmenbedingungen.
Sie vertreten als Burgenländer nun die Interessen des gesamten organisierten Sports in Österreich. Ein brisantes Thema ist, ob und vor allem wo ein neues Nationalstadion entstehen soll. Auch der Standort Parndorf steht im Raum. Wie ist Ihr Zugang?
Niessl: Es braucht hier einen strukturierten Neustart. Die Diskussionen sind zu sehr auseinandergelaufen und man muss nun einmal definieren, was ein Nationalstadion überhaupt ist. Österreich braucht eine multifunktionale Arena und kein reines Fußballstadion, in der auch zum Beispiel Wintersportarten wie Biathlon, Langlaufen oder Eishockey durchgeführt werden können. Bringt man viele Sportarten hinein, hat es auch die Berechtigung, das nationale Sportstadion zu sein.
Wo soll der Standort eines nationalen Sportstadions sein?
Niessl: Wenn definiert ist, welche Sportarten dort betrieben werden sollen, muss es auch ein Anforderungsprofil geben, welche Infrastruktur bestehen soll. Da braucht es eine U-Bahn, eine Schnellbahn, eine Straßenbahn und einen Flughafen.
Die logische Antwort wäre Wien.
Niessl: Die Diskussion muss einfach strukturiert angegangen werden. Es war nicht zielführend zu sagen: Wien ist es jetzt nicht, dafür Burgenland. Das alles ist nicht gut. Wichtig ist der Begriff eines nationalen Sportstadions, das möglichst breit aufgestellt ist. Ich bin auch dafür, dieses Projekt ohne Steuergeld durchzuführen. Man sollte versuchen eine Finanzgruppe aufzustellen, die das Ganze plant, baut und betreibt.
Sie sind als Landeshauptmann 18 Jahre lang im Rampenlicht gestanden. Nun haben Sie neben Ihrer eigenen Beratungsfirma diese ehrenamtliche Tätigkeit übernommen. Welchen Stellenwert hat diese Funktion für Sie?
Niessl: Der Sport hat mir persönlich immer sehr viel gegeben. Auch in den 18 Jahren als Sportreferent habe ich daraus Kraft für meine politische Tätigkeit geschöpft. Wenn ich sehe, was von den Sportlern, Trainern und Freiwilligen geleistet wird, ist das etwas, wofür ich jetzt einen Beitrag leisten möchte.
Was treibt Sie dabei an?
Niessl: Es lohnt sich, für den Sport etwas zu tun – wenn ich ein Nachwuchsteam sehe und die Kinder einen Spaß an der Bewegung haben. Oder wenn ich sehe, wie wichtig der Sport auch für die Integration ist. Im Sport ist es egal, ob das Kind Migrationshintergrund hat oder nicht. Bei den Eltern ist es ähnlich.
Trotzdem ist es ein hoher ehrenamtlicher Zeitaufwand, den Sie nun zumindest fünf Jahre lang – also die Dauer einer Funktionsperiode – auf sich nehmen.
Niessl: Was man gerne macht, sieht man ja auch nicht als die wirklich harte Arbeit. Sport hält jung. In den 18 Jahren als Landeshauptmann war der Sport für mich immer sehr wichtig. Es war nicht aufreibend, weil es auch keine Parteipolitik gab. Alle Beschlüsse waren einstimmig.
Erst Landeshauptmann, jetzt Privatperson mit einer eigenen Consultingfirma und BSO-Präsident. Läuft es bei Ihnen derzeit bilderbuchmäßig ab?
Niessl: Ich fühle mich sehr wohl dabei. Manche fragen schon, warum ich mir das antue, aber es macht mir einfach eine Freude. Es war für mich auch eine Ehre, dass mich die drei Sport-Dachverbände (Anm.: ASVÖ, ASKÖ, Sportunion) als gemeinsamen Kandidaten für die BSO-Präsidentschaft vorgeschlagen haben. Da habe ich mir schon gedacht: He, das ist nicht selbstverständlich. Wenn du 18 Jahre Landeshauptmann und 13 Jahre Bürgermeister warst, hast du nicht nur Freunde. Auch die große Zustimmung, noch dazu im Rahmen einer geheimen Abstimmung, zählt sehr für mich.