MSV 2020 im Pappelstadion: Das Märchen wird zum Heimatfilm

Erstellt am 08. Juni 2023 | 09:00
Lesezeit: 6 Min
Manfred Strodl Pappelstadion
MSV-Boss Manfred Strodl präsentiert die neue Heimstätte. Der neue Verein spielt künftig im Mattersburger Pappelstadion.
Foto: Bernhard Fenz
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Der Mattersburger SV 2020 hat ab sofort seine neue Heimstätte im Pappelstadion. Dort, wo bis Ende Juni 2020 Bundesliga-Fußball geboten wurde, wird der neu gegründete Nachfolgeverein des SV Mattersburg durch den zweiten Aufstieg innerhalb von zwei Jahren künftig in der 2. Liga Mitte antreten. Am Samstag beschließt der 1. Klasse Mitte-Meister die aktuelle Saison in der neuen Heimat mit der Stadion-Premiere gegen Kobersdorf.

Geblieben ist, was nicht weggerissen werden konnte. Das Mattersburger Pappelstadion präsentiert sich nach dem Finanz-Crash des SVM rund um Ex-Präsident Martin Pucher und dessen Commerzialbank in gewisser Weise geerdet. Im Sommer 2020 löste sich der Verein auf und verschwand von der Bildfläche. Nach und nach. Sämtliche beweglichen Güter, über 12.800 Posten, wurden 2021 versteigert. Alles, was im Lauf der Bundesliga-Jahre sukzessive entstand, ist längst wieder weg. Keine Zusatztribüne hinter dem Gästetor, kein VIP-Zelt, keine VIP-Tribüne, kein Fernsehturm - und doch mutierte das Pappelstadion dadurch bei weitem nicht zum Sportplatz. Die markante Haupttribüne, seit 2001 das augenscheinlichste Merkmal des damaligen Aufstiegs, steht, die authentische Wiese hinter dem Heimtor grünt wie eh und je, das (Ex-)SVM-Vereinshaus steht.

Zudem füllt sich die zuletzt brach liegende Sportstätte mittlerweile wieder mit Leben. Der Mattersburger SV 2020, vor drei Jahren als Nachfolgeverein gegründet, ist als neuer Mieter der im Eigentum der Stadt befindlichen Anlage amtlich. Bis vor kurzem war der Verein in der Fußballakademie Burgenland, Nun werden sich die 140 Burschen und 40 Mädchen im Nachwuchs auf den Spielflächen des Pappelstadion-Areals tummeln. Diese sind in ihrer Zahl und Fläche gewachsen. Dort, wo das VIP-Zelt stand, gibt es nun eine bespielbare Rasenfläche. Auch hinter dem wulkaseitigen Tor steht ein Grün für die Jüngsten zur Verfügung.

Das Herz ist freilich das Hauptfeld. Auch wenn es längst nicht mehr die Teppich-Qualität aus den besten Bundesliga-Zeiten aufweist, so ist es doch ein höchst symbolischer Akt, wenn es nun am Samstag neu eingeweiht wird. Die von Josef Kühbauer betreute Kampfmannschaft ist überlegener Tabellenführer und Neo-Meister der 1. Klasse Mitte, um 17.30 Uhr folgt das letzte Saisonspiel gegen Kobersdorf. Seit 2021 gibt es beim MSV Erwachsenenfußball, der zweite Aufstieg in Folge wird dem Klub ab Sommer die 2. Liga Mitte bescheren. Dies ist einem engagierten Team zu verdanken, mit Manfred Strodl als Vorstandsvorsitzendem an der Spitze. Auch der langjährige Bauunternehmer kehrt, wie so viele, nun zu seinen Wurzeln zurück. „Hier habe ich 1967, mit 14, selbst Fußball gespielt“, erinnert sich der 69-Jährige beim Gang über das Spielfeld. Es sei das Gefühl von Rückkehr in die Heimat, das sich nun mehr und mehr breitmachen soll. Denn: Der SVM-Scherbenhaufen aus dem Jahr 2020 soll nicht das Ende des Fußballs in Mattersburg darstellen. „Es wurde hier etwas neu aufgebaut und wir haben innerhalb kürzester Zeit den Sprung in die 2. Liga geschafft. Viel besser geht es nicht“, erinnert Strodl gerne auch an die Zeit, als Ex-Präsident Martin Pucher Ende der 80er beim damaligen SVM einstieg.

Im Pappelstadion als 2. Liga-Klub: „Die Perspektive ist optimal“

Damals wurde ebenfalls 2. Liga Mitte-Fußball gespielt, in weiterer Folge stieg der Verein mit harter Arbeit mehr und mehr auf - allerdings mit einem kriminiell-betrügerischen Finanz-Konstrukt im Hintergrund, wie sich spätestens 2020 herauskristallisieren sollte.

All das soll laut Strodl mit dem neuen Verein viel besser gemacht werden. Mit einem fundierten Nachwuchs. Mit einer Mattersburger Mannschaft, mit der sich die Zuschauer identifizieren können. Mit einem echten Wir-Gefühl, ohne aber aufgrund des Erfolgs die Bodenhaftung zu verlieren. Weiter nach oben schielen dürfe man aber sehr wohl. „Die Perspektive hier ist optimal“, weiß der Klubchef, dass sich der MSV gut weiterentwickeln kann.

Auch infrastrukturell. Derzeit ist im oberen Teil des Vereinshauses die Polizei stationiert. In absehbarer Zeit (tendenziell bis 2025) soll das Gebäude dann aber komplett vom MSV benutzt werden können, um auch die nötige Zahl an Kabinen und Möglichkeiten auszuschöpfen. Vorerst haben die Kicker im unteren Teil drei Kabinen zur Verfügung. Noch im Sommer soll die Haupttribüne, die im Zuge der Versteigerung alle Sitze verlor, mit 1.800 neuen Sitzplätzen bestückt werden, um dann wieder einen sympathischen Mix aus Sitz- und Stehplätzen zu bilden.

Und früher oder später könnte auch wieder das ehemalige SVM-Café, das dann natürlich auf MSV umgetauft werden würde, als großes grün-weißes Gesellschaftszentrum revitalisiert werden. Das wird allerdings noch einige Zeit dauern, denn, wie Strodl klarstellt: „Hier wurde alles entfernt. Für die Neuaufnahme eines Gastronomiebetriebs bräuchte es einen Kraftakt. Das ist dann ein Thema für die nächsten Jahre.“

Allerdings kein unwesentliches. Hier offenbart sich dann die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Während praktisch jeder Amateurklub im Unterhaus einen Kantinenbetrieb samt entsprechender Räumlichkeiten zur Verfügung hat, ist im Pappelstadion dieser Punkt bis auf weiteres noch offen. Weil das riesige (Ex-)SVM-Café nicht funktionstauglich ist, bleiben nur wenige Orte für ein gemütliches Beisammensein. Für das Heimspiel am Samstag gegen Kobersdorf etwa wird eine Kantine auf der Haupttribüne geöffnet sein, hier soll sich dann die dritte Halbzeit - in der Regel auch eine durchaus wichtige Einnahmequelle - fürs Erste abspielen.

Attraktiver Fußball am Rasen, der Sportplatz als Treffpunkt, all das soll weiter wachsen und wieder mehr und mehr erblühen. Denn dass die Fußballfans aus Mattersburg und der Umgebung an sich begeisterungsfähig sind, haben sie in der Vergangenheit schon bewiesen. Nun gilt es die Potenziale weiter zu nutzen. Strodl: „Mattersburg ist an sich eine fußballbegeisterte Stadt, wir sehen uns auch für die Region als Vorbildverein und wollen das leben. In Kombination mit dem Nachwuchs wächst da sehr viel Gutes heran.“ Fürs Erste gilt es also, Kobersdorf zu bespielen, in weiterer Folge wird es wieder ab der neuen Saison ein Derby gegen Rohrbach (wer erinnert sich nicht an die Sonntags-Matineen aus Regionalliga-Zeiten vor tausenden Fans?) und weitere interessante Lokalschlager geben. Doch wo sieht Strodl das Ende der Fahnenstange? „Ziel war und ist, dass wir früher oder später in die Landesliga wollen. Ich für meinen Teil werde heuer 70. Wenn ich gesund bleibe, spricht nichts dagegen, dass wir es dann auch noch weiter rauf versuchen wollen. Aber wichtig ist, am Boden zu bleiben.“

In dem Kontext könnte auch die eine oder andere Leitfigur zur Identitätsstiftung beitragen, wenn man personelle Zukunftsmusik betreiben will. „Das war Peter Hannich vor 30 Jahren, das war dann vor allem Didi Kühbauer ab 2002.“ 2023 werden hier freilich wesentlich kleinere Brötchen gebacken, eine Personalie mit Herzblut-Potenzial würde sich aber anbieten. Alois Höller (34) etwa, viele Jahre SVM-Bundesliga-Profi, derzeit bei RLO-Absteiger Scheiblingkirchen und selbst aufgrund seines Sohnemanns im MSV-Nachwuchs als Betreuer tätig, wäre doch über kurz oder lang eine Option, oder? „Mattersburg ist für mich immer interessant, der Zeitpunkt dafür ist derzeit aber ungewiss,“ lässt Höller wissen. Zukunftsmusik also. Strodl: „Wenn eine Persönlichkeit zu ihren Wurzeln zurückkehrt, wäre das immer ein schönes Signal.“ Fakt ist: Es darf wieder spekuliert werden. Denn es tut sich endlich wieder was an der Michael Koch-Straße 50.

Volles Pappelstadion 2015
2015 war die Tribüne des Pappelstadions im ersten Spiel nach dem Wiederaufstieg in die Bundesliga gegen Meister Salzburg bestens gefüllt. Diese SVM-Zeiten gehören der Vergangenheit an. Nun ist der MSV neuer Hausherr. Gespielt wird künftig in der 2. Liga Mitte.
Foto: Bernhard Fenz